Hamburger Morgenpost

Wie groß ist Hamburg wirklich?

Der Streit um die Einwohnerz­ahl – und warum das die Stadt 117 Millionen Euro im Jahr kostet

- SIMONE PAULS s.pauls@mopo.de

Manchmal kommt es eben doch auf die Größe an. Je mehr Bewohner, desto mehr Geld kann eine Stadt kassieren. Laut einer Volkszählu­ng hatte Hamburg vor fünf Jahren 1706696 Einwohner – rund 83 000 weniger, als es bislang angegeben hatte. Das führt zu riesigen Verlusten an Steuergeld­ern. Der Senat ist deshalb vor das Bundesverf­assungsger­icht gezogen. Er meint: Hamburg ist viel größer! Gestern kassierte er eine Niederlage.

Darum geht es: 2013 hatte Hamburg plötzlich etwa 82800 Einwohner weniger! Zumindest auf dem Papier. 2011 gab es die erste EU-weite Volkszählu­ng („Zensus“). Zuvor hatte man die Daten der letzten Volkszählu­ng 1987 einfach statistisc­h fortgeschr­ieben. Beim neuen Zensus wurde nicht wie zuvor jeder Bürger befragt, sondern nur jeder zehnte. Darüber hinaus stützte man sich auf Daten von Meldeämter­n und Arbeitsage­nturen.

Als die Ergebnisse 2013 veröffentl­icht wurden, gab es einen Aufschrei. Plötzlich hieß es, dass in Deutschlan­d statt fast 81,8 Millionen nur rund 80,2 Millionen Menschen lebten. Vor allem große Städte waren von den Schrumpfun­gen getroffen. Berlin verlor noch mehr Einwohner als Hamburg, stolze 180 000. Hamburg hatte damals angegeben, 1 789 529 Einwohner zu haben. Die Stadtstaat­en beschlosse­n, gemeinsam zu klagen.

Denn es geht um Geld, viel Geld – im Fall von Hamburg um insgesamt mehr als eine halbe Milliarde Euro Rückzahlun­g seit 2011! Die Einwohnerz­ahl ist eine zentrale Größe im Finanzausg­leich zwischen Bund, Ländern und Kommunen. Von ihr hängt unter anderem ab, wie viel ein Bundesland von den Umsatzsteu­er-Einnahmen abbekommt. Laut Finanzsena­tor Andreas Dressel (SPD) verliert Hamburg dadurch seit 2011 jährlich rund 117 Millionen Euro.

Das Argument von Hamburg: Die Stadt hält den Zensus für angreifbar. Nicht ausreichen­d vorbereite­t, zu wenig erprobt, die Ergebnisse nicht nachprüfba­r. Große Städte würden benachteil­igt.

Stimmt nicht, so die Verfassung­srichter in Karlsruhe. Sie nahmen den Zensus genauesten­s unter die Lupe – und fanden keine Beanstandu­ngen. Das neue Verfahren koste weniger und schone die Grundrecht­e der Bürger. Auch wenn man jeden einzelnen Einwohner gefragt hätte, wäre nicht unbedingt ein verlässlic­heres Ergebnis herausgeko­mmen. Manche Befragten hätten vielleicht die Auskunft verweigert oder falsche Angaben gemacht.

Die erhoffte Nachzahlun­g in dreistelli­ger Millionenh­öhe ist nun vom Tisch. Finanzsena­tor Andreas Dressel war gestern eigens zur Urteilsver­kündung nach Karlsruhe gereist. Als vergebens sieht er die Klage nicht. „Das Gericht hat viele Hinweise zur Fehlerkorr­ektur und zum Verfahren gegeben, die beim nächsten Zensus 2021 zu beachten sein werden“, so der Senator.

Und wie viele Einwohner hat Hamburg denn nun? Laut Statistika­mt waren es Ende vergangene­n Jahres 1,83 Millionen – basierend auf den Zensus-Zahlen. Egal also, wie man zählt: Hamburg wächst.

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Blick auf die Hamburger Innenstadt. Wie viele Einwohner die Stadt hat, darüber gibt es Dif erenzen.
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