Hamburger Morgenpost

Dieses Video postete er kurz vor dem Todessturz

Tod von Steffen M. (†27) wird als Unfall eingestuft. Räumung vorerst ausgesetzt

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KERPEN - Geräumt wurde gestern nicht im Hambacher Forst. Es wurde ermittelt. Nach dem Tod von Steffen M. (27), der als Journalist bereits seit mindestens einer Woche über die Aktivisten berichtet hatte, ist nun die Kriminalpo­lizei im Wald. Sie soll ermitteln, wie es zu dem Unfall kam.

Am Mittwochna­chmittag gegen 15.45 Uhr war der junge Mann etwa 15 Meter in die Tiefe gestürzt. Er arbeitet als Blogger, Schauspiel­er und Regisseur. Seit am 13. September die Räumung des Hambacher Forstes begonnen hatte, berichtete M. über seinen Twitter-Account und einen YouTubeKan­al aus dem Wald. Er war Teil eines Netzwerkes, das sich „Presse Netz“nennt und sich thematisch schon länger der umstritten­en Rodung des Waldes widmet.

Am Dienstag hatte er sich erstmals mit einem Video aus einem der Baumhäuser im Camp „Beechtown“gemeldet. Das sei notwendig, um die Räumung zu dokumentie­ren, sagte er darin, da die Polizei zuvor auch für die Presse große Teile des Waldes abgesperrt habe. „Hier oben ist kein Absperrban­d“, schrieb er zu dem Video, auf dem er einen Fahrradhel­m und eine gelbe Warnweste trug. Zudem sieht es danach aus, als sei er über ein Seil gesichert.

Nur einen Tag berichtete er aus dieser luftigen Höhe. Noch um 15.32 Uhr am Mittwoch hatte er ein Video gepostet, das zeigt, wie Polizisten eine Aktivistin mit einer Hebebühne von den Bäumen holen. Das stützt zumindest die Darstellun­g der Aktivisten, die auf ihrem Blog schrieben, dass Steffen M. auf die Hängebrück­e gegangen sei, um die Räumung besser dokumentie­ren zu können. Die Polizei hatte vorher angegeben,

dass es zum Zeitpunkt des Unglücks keine Polizeimaß­nahmen gegeben habe.

„Plötzlich, bevor er die Seilsicher­ung einhängen konnte, gab das Trittholz der Hängebrück­e nach“, teilte die Staatsanwa­ltschaft mit. Steffen M. stürzte von der Hängebrück­e. Alle Reanimieru­ngsversuch­e scheiterte­n. „Es sieht nach einem Unglücksfa­ll aus“, sagte Oberstaats­anwältin Katja Schlenkerm­ann-Pitts. Das bestätigte­n auch die Aufnahmen der Helmkamera, die das Todesopfer beim Absturz trug. Es haben sich demnach in seiner Nähe keine Personen befunden, die für den Sturz verantwort­lich gewesen sein könnten.

In der Nacht war es ruhig wie lange nicht im Hambacher Forst. Aktivisten erinnerten mit Kerzen an den toten Journalist­en. Gestern um 15.45 Uhr – also 24 Stunden nach dem folgenschw­eren Sturz – hielten sie eine Schweigemi­nute ab. Auch im Landtag wurde des Unglücksop­fers gedacht – und auch das Energie-Unternehme­n RWE, das die Räumung des Waldes veranlasst hatte, bedauerte den tragischen Unfall in einem Statement.

Doch auch in der Trauer geht das Tauziehen um den Hambacher Forst weiter. Während die Aktivisten noch am Mittwochab­end forderten, dass RWE und die Polizei sich aus dem Wald zurückzieh­en sollen, da der Einsatz Menschenle­ben gefährde, erhofft sich NRW-Innenminis­ter Reul genau das Gegenteil. Er hoffe, dass „diejenigen, die da in den Häusern sind, jetzt aus dem Wald rausgehen, aus den Häusern rausgehen, damit nichts passiert“, sagte er dem Radiosende­r WDR 2. Wenig später warf Reul den Umweltschü­tzern vor, den Räumungsst­opp zu missbrauch­en, um neue Baumhäuser zu bauen. Die Polizei vor Ort konnte aber nicht sagen, wo das im Wald der Fall sein sollte.

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 ??  ?? Hier war Steffen M. durch die Hängebrück­e gebrochen.
Hier war Steffen M. durch die Hängebrück­e gebrochen.
 ??  ?? Aktivisten geben der Räumung die Schuld am Tod des Journalist­en.
Aktivisten geben der Räumung die Schuld am Tod des Journalist­en.
 ??  ?? Sein letztes Video zeigt Steffen M. hoch in einem Baum des Hambacher Forstes.
Sein letztes Video zeigt Steffen M. hoch in einem Baum des Hambacher Forstes.
 ??  ?? Viele Aktivisten trauern um den Verstorben­en.
Viele Aktivisten trauern um den Verstorben­en.

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