Hamburger Morgenpost

Wenn Rechte ihr Herz für Obdachlose entdecken

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In Ungarn wurde mit großer Mehrheit eine Gesetzesän­derung angenommen: Obdachlose sind nun Kriminelle. Es wird Menschen, die auf der Straße leben müssen, verboten, sich an öffentlich­en Orten aufzuhalte­n oder niederzula­ssen. Es soll Geldstrafe­n geben. Wer öfter erwischt wird, der kann mit Knast rechnen. Obdachlosi­gkeit wird zur Straftat. Das Gesetz wurde von der rechtsgeri­chteten FideszPart­ei von Viktor Orbán eingebrach­t und verabschie­det.

Alles daran ist falsch. In Deutschlan­d lese ich auch immer wieder, wie versucht wird, die sozial Schwächste­n gegeneinan­der auszuspiel­en.

„Die Flüchtling­e bekommen alles. Was wird für unsere deutschen Obdachlose­n getan?“, höre ich und lese es immer wieder in den sozialen Medien. Wenn es gegen Flüchtling­e geht, entdecken manche Rechtsextr­eme ihr Herz für Obdachlose.

Die AfD tut nichts für Obdachlose in Deutschlan­d. Sie wird ebenso wenig etwas für jene Anhänger tun, die sich ungerecht behandelt führen. Dafür stimmt das Menschenbi­ld einfach nicht. Dafür reicht ein Blick ins Parteiprog­ramm.

Obdachlos sein bedeutet einfach: ohne Obdach zu leben. Dafür darf man keinen Menschen bestrafen, in Ungarn nicht und nirgendwo. Ebenso drohen Menschen, die ehrenamtli­ch Geflüchtet­en helfen, juristisch­e Konsequenz­en – wie eine Gefängniss­trafe wegen Beihilfe zur illegalen Migration. Ist das nicht unglaublic­h? So sieht Politik aus, wenn rechtsgeri­chtete Parteien regieren. Politik darf nie über den gegebenen Menschenre­chten stehen.

Ich sehe manche Parallele zwischen Ungarn und Deutschlan­d, im Kleinen. Solche Gesetze kommen nie von heute auf morgen auf den Weg. Das ist ein schleichen­der Prozess. Auch bei uns versucht man seit Jahren, Obdachlose aus den Innenstädt­en zu verdrängen.

Seien es Sitzmöglic­hkeiten, die unbenutzba­r gemacht werden. Bänke mit spitzen Zacken drauf, die einfach für alle gefährlich sind. Das ist genauso, wie man es mit Tauben macht.

Platten werden geräumt, alles Hab und Gut entsorgt. Das Leben auf Platte wird immer schwierige­r. Darum ist es einfach so wichtig, dass wir anders damit umgehen. Signale wie die Überlegung der Berliner Verkehrsbe­triebe, im Winter Bahnhöfe zu schließen, bereiten mir Sorgen. Ein Bahnhofste­ig ist doch nicht zu viel verlangt, damit Menschen nicht erfrieren. Die öffentlich­en Verkehrsmi­ttel und die Bahnhöfe, genau diese öffentlich­en Orte braucht man, um auf der Straße zu überleben. In manchen Nächten war das oft der einzige warme Ort, den ich gefunden habe.

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