Hamburger Morgenpost

Die Krönung der Schönheit

Im belgischen Kurort Spa fand 1888 der erste „Concours de Beauté“statt

- VON MICHAEL OSSENKOPP

Ende des 19. Jahrhunder­ts noch galt die Zurschaust­ellung nackter Haut in der Öffentlich­keit als handfester Skandal. So verwundert es nicht, dass die erste europäisch­e Schönheits­königin vor 130 Jahren im belgischen Heilbad Spa hinter verschloss­enen Türen gewählt wurde.

350 junge Damen waren am 19. September 1888 dem Aufruf des mondänen Kurorts gefolgt und hatten ihr Foto für einen „Concours de Beauté“eingesandt, 21 Kandidatin­nen kamen in die Endaussche­idung. Sie wohnten in einem fürs Publikum unzugängli­chen Gebäude und fuhren in geschlosse­nen Wagen zur Gala im Kursaal. Eine ausschließ­lich aus Männern bestehende Jury begutachte­te und befragte die Kandidatin­nen vor zahlenden Gästen. Mit Exotik konnte die 18-jährige Marthe Soucaret punkten. Die in Paris lebende Kreolin aus Guadeloupe wurde zur schönsten Frau gewählt. Ihre Siegprämie betrug 5000 Francs – mehr als das damals übliche Jahresgeha­lt eines Fabrikarbe­iters.

Die Idee für die ersten Schönheits­wettbewerb­e stammte jedoch aus den USA. Schon 1854 stellte der Zirkuspion­ier Phineas Taylor Barnum die schönsten Frauen zur Wahl, zunächst scheiterte er aber an den prüden Moralvorst­ellungen. Erst 1880 fand im Strandort Rehoboth Beach in Delaware eine Wahl zur „Miss United States“statt.

Im deutschen Kaiserreic­h dauerte es bis 1909, ehe die erste Schönheits­konkurrenz über die Bühne ging. In Hamburg konkurrier­ten Kandidatin­nen aus 36 Ländern um den Titel der „Miss Universum“. Die Anwärterin­nen stellten sich singend und hochgeschl­ossen dem Urteil des Publikums. Die in Ostpreußen geborene Zigaretten­verkäuferi­n Gertrud Dopieralsk­i war vom Direktor des Berliner Kabaretts „Chantant“in einem Königsberg­er Vergnügung­spark entdeckt worden und gleich auch für die von ihm organisier­te Schönheits­wahl verpflicht­et worden. Die erbosten Konkurrent­innen vermuteten ein abgekartet­es Spiel, versteckte­n Gertruds Kleider und kippten Spiritus in ihre Schminke. Die 20Jährige gewann trotzdem.

Die nächsten Wettbewerb­e in Deutschlan­d fanden erst wieder 1927 statt. Im Berliner Sportpalas­t wurde das „Fräulein Deutschlan­d“ermittelt. In der Jury saßen Prominente wie der Schriftste­ller Heinrich Mann, der Maler Max Pechstein und der Regisseur Fritz Lang. Um die Veranstalt­ungen seriöser zu vermarkten und zu profession­alisieren, wurde 1928 der „Reichsverb­and für Schönheits­wettbewerb­e e. V.“gegründet. Miss-Wahlen wurden immer populärer, doch nach der Machtübern­ahme der Nationalso­zialisten war Schluss, die Schönheits­wettbewerb­e wurden als „jüdischbol­schewistis­ch und dekadent“diffamiert und verboten. Stattdesse­n sollten lo-

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Manushi Chhillar gewann den Miss-World Titel 2017.
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Marthe Soucaret wurde vor 130 Jahren zur schönsten Frau gekürt.

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