Mit 81 in Rente!
Der Hamburger Harm Cording macht freiwillig, wozu in Zukunft manche Rentner gezwungen sein werden: Arbeiten bis ins hohe Alter
Nach 55 Jahren schlug der heute 81-jährige Buchhalter die Geschäftsbücher nun endgültig zu und will sich künftig seinem Garten widmen. „Ich bin ein aktiver Mensch“, sagt er. Und das ist nicht nur so ein Spruch von ihm: In diesem Jahr bereiste der gelernte Finanzwirt China und Moskau. Wenn er gerade mal nicht durch die Welt jettet, leitet er in Elmshorn eine Behindertengruppe. Und zu
Hause macht der sechsfache Opa ge- rade den Garten win- terfest.
Geboren ist Harm Cording in Oldenburg, wo er nach dem Gymnasium seine Ausbildung zum Finanzwirt absolvierte. Nach Hamburg kam er schließlich wegen seiner großen Leidenschaft: dem Schachspiel. Hier studierte er ein Semester Mathematik und legte einige Prüfungen in Jura ab.
Währenddessen wurde der damals führende Schachclub SG Solingen auf ihn aufmerksam. Mit diesem Team wurde Cording drei Mal deutscher Mannschaftsmeister. Außerdem nahm er an der internationalen Fernschach-Weltmeisterschaft teil: „Das war wie OnlineSchach, nur per Post. Jeder einzelne Schachzug wurde mit einem Brief übermittelt. Eine Partie gegen Russland konnte gut ein halbes Jahr dauern“, erzählt er stolz.
Für Harm Cording war klar, dass Job und Hobby vereinbar sein müssen. Und so landete er mit 30 schließlich beim Finanzamt, wo er in seiner 39 Jahre langen Amtszeit in den verschiedensten Abteilungen tätig war. Für anstrengende Arbeitstage hatte der Hamburger eine besondere Taktik, wie er mit einem Lachen erklärt: „Wenn man eins durch die Schachspielerei lernt, dann ist es Abschalten.“
2002 stand die Pensionierung bevor. Statt sich auf ruhige Tage im Schaukelstuhl zu freuen, suchte Cording sich zunächst übergangsweise eine Stelle als Buchhalter für die Presseagentur Public Address. Aus drei Monaten wurden 16 Jahre, in denen er an zwei Tagen pro Woche Steuern und Finanzen abwickelte. Agenturchef Stefan Hoyer bedauert Cordings Abschied: „Am liebsten würde ich ihn noch länger hier behalten.“
Harm Cording hat einfach Spaß am Arbeiten, allein deshalb hat er bis 81 weitergemacht. Bei anderen Rentnern, die sich wieder einen Job suchen, sind vor allem finanzielle Gründe ausschlaggebend. Erst kürzlich veröffentlichte das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung eine Studie, in der vor zunehmender Altersarmut gewarnt wird: 58 Prozent der Erwerbstätigen aus rentennahen Jahrgängen werden nicht genug Rente erhalten, um ihren aktuellen Lebensstandard halten zu können. Union und SPD handelten nach hitzigen Debatten ein Rentenpaket aus, das Ende August verabschiedet wurde (siehe Beistück).
Warum bei Cording mit 81 Schluss ist? Einen konkreten Anlass gibt es nicht. Er wolle nicht den gleichen Fehler wie all die Fußballstars machen, die den richtigen Moment zum Gehen verpassen. Er hat nie bereut, sein ganzes Leben gearbeitet zu haben. Jetzt müsse er seine Frau erst einmal daran gewöhnen, sagt er, dass er so oft zu Hause ist.
Viel vorm Fernseher sitzen will der 81-Jährige übrigens nicht: Israel bereisen und eine Nilkreuzfahrt möchte Harm Cording machen. Wie der perfekte Urlaub für ihn aussieht? „Aktiv sein, nicht nur am Strand liegen“, sagt er. Na dann, viel Spaß!