Selbstmord aus Verzweiflung
Er wusste keinen anderen Ausweg mehr. War völlig verzweifelt. Es war der 7. August 1935. Berthold Walter fuhr mit dem Paternoster hinauf in den 7. Stock, kletterte aufs Dach. Für den wunderschönen Ausblick auf die Stadt dort oben hatte er sicherlich keinen Sinn in diesem Augenblick. Er hielt einen Moment inne, dann stürzte er sich in den Lichthof der Finanzbehörde am Gänsemarkt – das Ende jahrelanger Ausgrenzung und Erniedrigung.
Berthold Walter, geboren im März 1877 in München, war Kaufmann und Inhaber eines gut gehenden Getreide- und Futtermittelgroßhandels. Lange vor 1933 begannen Nazis mit ihrer antisemitischen Hetze, so dass sich immer mehr Bauern weigerten, Getreide „vom Juden“zu kaufen. Er emigrierte im Mai 1934 mit Frau und Kindern nach Paris. Was er dort erlebte, dürfte vielen bekannt vorkommen: Er war ein Flüchtling, und die waren nicht willkommen. Insbesondere Juden, die es wagten, um eine Arbeitserlaubnis zu bitten, mussten mit ihrer Abschiebung rechnen.
Bedrückt und entmutigt kehrte Walter ohne seine Familie nach Deutschland zurück. Er hoffte, dass es ihm vielleicht in der Großstadt Hamburg gelingen wird, den Unterhalt für sich, seine Frau und seine Kinder zu verdienen. Als ihm die Finanzbehörde die Handelserlaubnis verweigerte, versuchte er, sich irgendwie als Hausierer über Wasser zu halten. Auf der Straße drohten ihm Nazis Schläge an, ein Hund wurde auf ihn gehetzt. Mal stieß ihn jemand die Treppe herunter und alles rundherum grölte vor Schadenfreude.
Um sich diesem physischen und psychischen Terror zu entziehen, nahmen sich damals in Deutschland rund 10000 Juden das Leben, einer davon Berthold Walter.