Bombast-Rock, Tanz-Alarm und große Gefühle
Auch an Tag drei bebt der Kiez und feiert seine Musik-Helden
Endspurt beim viertägigen Reeperbahn-Festival! Noch bis in die Nacht zu Sonntag war der Kiez der Nabel der Musikwelt. Zum Start ins Wochenende standen viele große Namen auf dem Programm – der größte aber überstrahlte alles.
Erst in der Nacht zu Freitag war bekannt geworden, dass Muse im Docks auftreten würden. Die britische Band füllt normalerweise die Stadien und Arenen dieser Welt, entsprechend war der Andrang vor dem 1200-Leute-Club schon am frühen Abend. Kurz nach Einlass gab es wegen Überfüllung keinen Zutritt mehr. Kein Wunder: Das Rocktrio präsentierte erstmals Songs seines am 9.November erscheinenden Albums „Simulation Theory“live vor Publikum. Die Vorab-Singles „Dig Down“, „Thought Contagion“und „The Dark Side“klangen im Docks weniger elektronisch als auf der Aufnahme. Die Band um Sänger und Gitarrist Matt Bellamy (40) spielte ein druckvolles Rockset ohne Schnörkeleien, aber mit reichlich Gitarrengewittern. Sein Klavier hatte Frontmann Bellamy wohlweislich gar nicht erst mit auf der Bühne. „Starlight“,
„Plug In Baby“, „Supermassive
Black Hole“– kein großer Hit wurde ausgelassen. „Vielen
Dank, we love you, Hamburg!“
Zu mehr Ansagen ließ er sich bei dem 75-minütigen Konzert nicht hinreißen
– reichte ja auch. Wenige Stunden zuvor hatte Disarstar die „Warner Music Night“im Docks eröffnet. Mit seiner melancholischen St. Pauli-Hymne „Tor zur Welt“brach der Hamburger Rapper vor internationalem Publikum eine Lanze für die Heimat des Reeperbahn-Festivals. Noch emotionaler wurde es bei seinem Cover des Die Ärzte-Songs
„Wie es geht“, auf dem er den Tod eines Freundes verarbeitet.
Mit vollem Körpereinsatz standen Hyphen Hyphen aus Nizza im Uebel & Gefährlich auf der Bühne. Toller Sound, tolle Stimmen: Die Elektro-Pop-Band lieferte eine energiegeladene Show ab, präsentiert tanzbare Musik, die auch im Radio Spaß macht. Bei den etwas ruhigeren Nummern zeigten die Franzosen ihre Vielseitigkeit. „Ihr seid schön“, f üsterte eine der Sängerinnen zwischendurch etwas schüchtern von der Bühne – um dann umso lauter die nächste PowerNummer rauszuhauen. Das Kompliment kann das Publikum nur zurückgeben – Hyphen Hyphen haben definitiv die Ohren und Herzen ihrer Hamburger Zuhörer erobert!
Genau wie Parcels. Die fünf winzigen Australier sehen aus wie Figuren aus einem französischen 80er-Jahre-Softporno und groovten, dass die rappelvolle Freiheit lustvoll juchzte und sich spontan schockverliebte. Die Band hat ein Faible für ausgesucht absurde Kleidung, lebt in Berlin und konstruiert federndleichten Funk mit sonnigen Chören. In Kürze erscheint ihr Debüt – und wie sie da nach einer Stunde so beseelt ins euphorisierte Publikum strahlten, scheint klar: Die werden Stars!
Große Gefühle überall, aber für eine Runde Pogo musste man am Festival-Freitag lange gehen. Ins Gruenspan zu Vizediktator etwa! Dort sorgte das Berliner PunkrockQuartett für jede Menge tanzender Leiber. Der Sound glasklar, die Performance erste Sahne. Das schaurig ernste „Dessau“sorgte für Gänsehaut, „Halleluja“ließ das Publikum ausrasten. So geht Punkrock 2018. Nach energievollen 45 Minuten gab’s noch eine Ansage des Sängers: „Wir sind Vizediktator, ihr seid die Zukunft.“Kann man so stehen lassen.