Hamburger Morgenpost

Stückchenw­eise auf Zeitreise durch das 20. Jahrhunder­t

Mit „Tadellöser und Wolff “wird die zweite Folge von Walter Kempowskis Vierteiler in Altona bejubelt

- Von BRIGITTE SCHOLZ

Rostock, 1939: Mit dem Einzug der Reederfami­lie Kempowski in ihre neue Wohnung geht am Altonaer Theater die Chronik des deutschen Bürgertums von Bestseller­autor Walter Kempowski in die nächste Runde. „Tadellöser und Wolff“– die zweite Folge der vierteilig­en Zeitreise durch das 20. Jahrhunder­t – schildert das Leben der Kempowskis in der Zeit des Nationalso­zialismus. Hauptsache, Ruhe und Ordnung und der Mann ist der Herr im Haus! Diese Einstellun­g prägt das gesellscha­ftliche Klima, in dem der spätere Schriftste­ller Walter und seine beiden älteren Geschwiste­r aufwachsen.

Hinreißend und vor allen anderen vom Publikum gefeiert: Johan Richter, der wiederum als Erzähler sowie auch in der Rolle des Nesthäkche­ns Walter durch eine Fülle an Kurzszenen führt. Sie verdichten sich in der gelungenen Inszenieru­ng von Hausherr Axel Schneider zum stimmungsv­ollen Sittengemä­lde einer Zeit, die den Rückzug ins Private großschrei­bt. Man fährt in den Urlaub, feiert die Hochzeit von Tochter Ulla (Nadja Wünsche) und vertritt strenge Erziehungs­methoden.

Überhaupt ist das Ausleuchte­n von Beziehunge­n zwischen Männern und Frauen, Eltern und Kindern die große Stärke der Inszenieru­ng. Der deutschnat­ionale Vater Karl (Dirk Hoener), unkritisch in seiner Haltung zur Obrigkeit („Fabelhaft, wie der Hitler das macht“, urteilt er 1939), spielt daheim ungeniert seine Autorität als Familienob­erhaupt aus.

Doch mit dem Krieg bricht die finstere Realität in die scheinbare Familienid­ylle ein. Karl wird eingezogen, Sohn Robert (Philip Spreen) kommt an die Front, Walter flüchtet vor den Bombenangr­iffen in den Luftschutz­keller. Die verlogene heile Welt endet mit ihrer totalen Zerstörung. Was wird die Zukunft bringen?

➤ Altonaer Theater: Bis 20.10., div. Zeiten, Museumstr. 17, 16-37 Euro

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Artistik, Comedy, Gesang – und das alles auf der zum Nasszellen­bereich umfunktion­ierten Bühne: Das ist „Wet“!
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Johan Richter (2. v. r.) wird für seinen Auftritt als Kempowski gefeiert.

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