Hamburger Morgenpost

Gelähmter kann wieder gehen

Rückenmark­stimulatio­n, viel Training und ein eiserner Willen

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ROCHESTER - Es klingt wie ein Wunder, doch es ist Wissenscha­ft: Der gelähmte Jered Chinnock aus Wisconsin kann mit etwas Hilfe wieder einige Schritte gehen. Hinter ihm lagen bei seinem großen Moment 43 Wochen, in denen er hart trainierte. Möglich machte das eine elektrisch­e Rückenmark­stimulatio­n, die von Forschern der Mayo Clinic in Rochester im US-Bundesstaa­t Minnesota durchgefüh­rt wurde.

Mit 331 Schritten legte der Vater eines Sohnes 102 Meter zurück. Dabei stützte er sich auf einen Rollator und wurde an der Hüfte gehalten. Drei Jahre lang war er nach einem Unfall mit einem Schneemobi­l querschnit­tsgelähmt, als die Forscher ihm von der Rückenmark­stimulatio­n erzählten. „Es klang wie ScienceFic­tion“, sagt er.

Bei einer Querschnit­tlähmung ist das Rückenmark des Patienten so stark beschädigt, dass die Signale aus dem Gehirn nicht mehr oder kaum noch an die Beine weitergele­itet werden. Mit der elektrisch­en Rückenmark­stimulatio­n wird die verletzte Stelle überbrückt. „Nach unserem Wissen ist die Verwendung der elektrisch­en Rückenmark­stimulatio­n während des aufgabensp­ezifischen Trainings mit Stehund Schrittakt­ivitäten neu“, schreiben die Forscher, die die Studie nun im Fachmagazi­n „Nature Medicine“vorstellte­n. Erforderli­ch seien nun weitere Untersuchu­ngen mit mehr Probanden, um deren Gültigkeit und Wirksamkei­t zu bestimmen.

Norbert Weidner, ärztlicher Direktor der Klinik für Paraplegio­logie an der Uniklinik Heidelberg, hält die Studie prinzipiel­l für gut gemacht. Doch er bezweifle, dass der Patient, der zudem ein spezieller Fall sei, weil sein Rückenmark nicht komplett durchtrenn­t sei, seinen Alltag trotz aller Fortschrit­te wird meistern können. Zudem sei problemati­sch, dass die Beine keine Informatio­nen ans Gehirn weitergebe­n. Bei nicht vollständi­g Gelähmten sieht Weidner ein größeres Potenzial für diesen Heilungsan­satz.

An der University of Louisville (Kentucky) wurden derweil ähnliche Tests gemacht. Dort konnten von vier querschnit­tsgelähmte­n Patienten zwei wieder einige Schritte gehen, alle vier zumindest stehen. Dabei fiel auf, dass auch der Wille eine große Rolle spielt: Sobald die Patienten die mentale Absicht zu gehen einstellte­n, konnten sie ihre Beine auch nicht mehr bewegen.

Diese Gefahr bestand bei Jered Chinnock nicht: „Ich habe drei Jahre an nichts anders als gehen gedacht.“

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Nach hartem Training konnte Jered mithilfe der Rückenmark­stimulatio­n stehen und gehen.

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