In dieser Kneipe gucken HSV- und St. Pauli-Fans zusammen!
DERBY-FIEBER Keinen Bock auf Stress: In der Barmbeker Bar „Zum guten Tropfen“wird gemeinsam gefeiert und gelitten
Dienstagabend, mitten in Barmbek. Noch wenige Tage bis zum Stadtderby. Aufkleber der zwei großen Hamburger Fußballclubs „schmücken“Straßenpoller und Mülleimer. Witzeleien, Anfeindungen, Hassparolen. Aber in einer dunklen Eckkneipe ist auch zu Derby-Zeiten kein Platz für so etwas: „Zum guten Tropfen“. Da, wo Fans des HSV und des FC St. Pauli nebenund miteinander gucken. Von Außen ist nicht zu erahnen, was sich im Inneren verbirgt. Doch der Blick an der langen Theke vorbei in Richtung Sitzbänke macht deutlich, was hier im Mittelpunkt steht: Fußball. HSVFlaggen, Schals des Kiezklubs, Erinnerungen aus den vergangenen Jahrzehnten. Rund 30 Menschen in Trikots beider Klubs — an den Tischen bunt gemischt. Support ist erlaubt. Fanartikel, die sich gegen den anderen Verein richten, sind aber ein No-Go.
„Das ist das klare Abkommen hier und daran halten sich auch alle“, erzählt HSVFan Marcus. Kleine Sprüche in Richtung Gegenseite gibt’s dennoch im Minutentakt. „Die eine Hälfte hatte eine schlechte Erziehung“oder „Guck dir doch mal dieses Logo an“. Der kleine spaßige Zwist wird allerdings schnell Arm in Arm mit einem Kurzen runtergespült.
Eine große Gemeinschaft über Generationen hinweg ist da herangewachsen, entstanden vor rund 15 Jahren. „Das war ’ne HSV-Kneipe damals. Dann sind wir mal mit ein paar Leuten hier aufgetaucht. Hat uns gefallen hier“, erzählt „Pauli-Klausi“, die sympathische Hamburger Kodderschnauze — und Kern der ganzen Gruppe. Wenn der 58-Jährige nicht gerade seiner Tätigkeit als Platzwart beim der Kneipe benachbarten Amateurclub SV UH-Adler nachgeht, ist Klaus zu Familienfesten der anderen Kneipengäste eingeladen.
Auch Silvester wird in der Eckkneipe zusammen gefeiert. Dann packen alle gemeinsam an, um ein großes Buffet aufzutischen. „Auf unser Feuerwerk warten die Kinder aus der Nachbarschaft das ganze Jahr“, sagt einer der Gäste stolz. Als Gruppenoberhaupt Klaus im Krankenhaus lag, mussten Besuche zwischenzeitig unterbunden werden und „Pauli-Klausi“in den größten Raum der Klinik verlegt werden — zu viele Gäste besuchten den 58-Jährigen, brachten dem wohl geformten „Dicken“, wie sie ihn alle nennen, seine Leibspeisen mit.
Aber nicht alles ist schön und spaßig. „Neulich ist einer von uns verstorben. Einer, der immer für alle da war“, erzählt Marcus. Für einen kurzen Moment wird es ruhig in der sonst so lauten Runde, einige Köpfe gehen nach unten. Zu mehreren Dutzend nahmen sie damals an der Beerdigung teil. Auch diese Momente stehen sie gemeinsam durch.
Dass die Gemeinschaft überhaupt Tag um Tag in der Eckkneipe verbringen kann, ist vor allem Wirt Torsten zu verdanken. Der 51-Jährige ist neben einem zugezogenen Berlin-Fan der einzige „Andersdenkende“. Der Gastgeber stammt aus dem Spreewald, sein Herz schlägt für Energie Cottbus.
Aber auch für die Hamburger Lokalmatadoren sympathisiert er. Notgedrungen? „Nein. Die Menschen hier machen es einem einfach. Ich habe von den Chaoten da draußen das positive Lager abbekommen“, sagt Torsten grinsend.
Beim anstehenden Stadt
derby ruht die sonst so große Harmonie für 90 Minuten. Die Barmbeker Pinte wird in braunweißer Hand sein, da es die meisten HSV-Anhänger in den Volkspark zieht. Erwartet werden dennoch mindestens 40 Leute. Gefeiert wird mit Konfetti und dem einen oder anderen guten Tropfen, aber ohne Streitigkeiten. Da ist sich HSVFan Marcus sicher: „Unter den Gästen wird es definitiv ruhig bleiben!“Sicherlich eine kleine Ausnahme am heißen DerbySonntag.