Hamburger Morgenpost

„Die AfD wird nie wirkliche Macht haben – und das ist gut so!"

JÖRN KRUSE Nach der Ankündigun­g seines Parteiaust­ritts rechne

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Das ist ein Paukenschl­ag: Jörn Kruse (70), der Fraktionsv­orsitzende der AfD in der Bürgerscha­ft, legt nicht nur sein Amt nieder. Aus Verärgerun­g über den Rechtsruck der AfD und die Zusammenar­beit mit Rechtsextr­emisten tritt er auch aus der Partei aus. Der Wirtschaft­swissensch­aftler im MOPO-Interview:

MOPO: Herr Kruse, wie fühlt man sich als parteilose­r Abgeordnet­er der Hamburgisc­hen Bürgerscha­ft? Jörn Kruse: Na, ich lege den Fraktionsv­orsitz ja erst ab dem 1. Oktober nieder. Am selben Tag endet auch meine Mitgliedsc­haft in der AfD. Ein bisschen dauert das also noch. Aber danke der Nachfrage. Mir geht es gut. Ich war gerade auf dem Isemarkt einkaufen, damit ich am Wochenende nicht hungern muss. Und die Sonne hat geschienen.

Was macht dieser intelligen­te Wirtschaft­s-Professor Kruse bei der AfD – diese Frage haben sich immer schon ganz viele Menschen gestellt.

Ich erinnere daran, weshalb ich die AfD mal mitgegründ­et habe, nämlich während der Euro-Krise aus Protest gegen den unsinnigen EuroRettun­gsschirm. Wir waren damals eine Gruppe von Wirtschaft­swissensch­aftlern und haben als einzige öffentlich gesagt, dass diese falsche Politik die Steuerzahl­er sehr viel Geld kosten wird.

2015 ging es dann mit der AfD ziemlich bergab. Kaum noch ein Wähler wollte ihr die Stimme geben.

Dass die AfD damals nicht von der Bildfläche verschwand, war die Schuld oder das Verdienst – je nach Perspektiv­e – von Angela Merkel. Wir wurden zur Partei all der Protestwäh­ler, die verärgert waren über eine Kanzlerin, die gegen den Willen des Volkes die Schleusen für Flüchtling­e geöffnet hat, und zwar ganz unkontroll­iert.

Das war der Zeitpunkt, an dem auch die AfD die Schleusen öffnete: für Rechtsextr­emisten, Rassisten, Ewiggestri­ge …

Da muss man stark unterschei­den, von Landesverb­and zu Landesverb­and. Für die AfD in Hamburg, überhaupt für die AfD im Westen, gilt das so nicht. Dadurch, dass die Medien aber dazu neigen, immer groß über irgendeine problemati­sche Aussage eines Einzelnen im Osten zu berichten, entstand der Eindruck, die ganze Partei sei wie Björn Höcke. Die gute Arbeit der West-AfD wurde ignoriert.

Herr Kruse, was ist denn bitte die gute Arbeit der AfD?

Die AfD ist beispielsw­eise die einzige Partei, die sich kritisch zum aggressive­n Islam äußert …

Moment! Dass die AfD den Eindruck erweckt, jeder Muslim sei ein Islamist, nennen Sie gute Arbeit?

Nein, das hat niemand gesagt. Die meisten Muslime sind normale Mitbürger wie Sie und ich. Aber es gibt eine bestimmte Gruppierun­g von Muslimen, wahrschein­lich nur wenige, die aber laut und wirksam sind – und ihrer Sache mit Messern und Kalaschnik­ows Nachdruck verleihen.

Wie bitte? Wie viele sollen das sein?

Ein Prozent vielleicht. Aber von ihnen fühlen sich viele Leute bedroht. Und die Leute finden es auch nicht akzeptabel, wie die Muslime mit ihren Frauen umgehen: Schleier, Zwangsverh­eiratung, Geschlecht­sverstümme­lung, Gewalt, Verachtung und all das.

Wieso treten Sie eigentlich aus der AfD aus, wenn alles gut war, Herr Kruse?

Es war nicht alles gut. Ich beobachte nun schon seit Jahren eine klare Tendenz der Bundes-AfD, immer mehr nach rechts abzudrifte­n. Ich habe das wiederholt kritisiert. Mit dem, was jetzt in Chemnitz passiert ist, war für mich die Grenze erreicht. Dort hat die AfD mit Rechtsextr­emisten zusammenge­arbeitet und was noch schlimmer ist: Der Bundesvors­tand hat sich nicht eindeutig öffentlich dazu geäußert. Er hätte denen im Osten sagen müssen, dass wir eine seriöse konservati­ve Partei bleiben und dass wir uns nicht von Ost-Landesverb­änden dominieren lassen wollen.

Es gibt Leute, die sagen, dass Sie schon längst hätten austreten sollen. Dass Sie viele Jahre lang so etwas wie das Feigenblat­t waren und dazu beigetrage­n haben, dass bürgerlich­e Wähler der AfD ihre Stimme gaben.

Ja, ich war das Feigenblat­t, das muss ich unumwunden zugeben. Und ich habe keine Lust, es noch länger zu sein. Ich habe schon früher darüber nachgedach­t auszutrete­n. Ich habe es nicht getan wegen meiner Bürgerscha­ftsfraktio­n, wegen der Mitarbeite­r, mit denen ich sehr gut zusammenge­arbeitet habe.

Wie geht es weiter mit Deutschlan­d, Herr Kruse?

Ja, ich war das Feigenblat­t, das muss ich unumwunden zugeben.

Dass die AfD nicht von der Bildfläche verschwand, ist das Verdienst von Merkel.

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