Hamburger Morgenpost

Barocke Pracht und frischer Fisch

West-Schweden lockt mit herzlichen Menschen, atemberaub­enden Landschaft­en und einem Gemüseflüs­terer

- Von MARTINA DOERING

Bollebygd, Herrljunga, Lidköping, Trollhätta­n – wohl keiner dieser Orte auf der Route durch Westschwed­en hat es zu längeren Einträgen in Reiseführe­r geschafft. Und doch: Diese Orte und diese Landschaft sind atemberaub­end. Die Fahrt führt vorbei an weiten Wiesen und dichten Wäldern, Ruinen aus der Wikingerze­it und imposanten Schlössern, durch kleine Dörfer und Städtchen mit bunten Holzhäuser­n.

Auch tief im Landesinne­rn sind Flüsse oder Seen nie weit entfernt. Und weil Westschwed­en auch noch kulinarisc­h auftrumpfe­n kann, wird eine Reise durch die Region zu einem besonderen Trip: für die Augen und den Gaumen, für die Seele und das Herz.

Das Läcko-Schloss liegt bei Lidköping inmitten eines Naturschut­zgebietes am Vänersee, dem größten Gewässer in Schweden und erhebt sich dort am Ende einer Landspitze in barocker Pracht: in strahlende­m Weiß, mit Zwiebelkup­pelTürmche­n und wehrhaften Mauern. Das Schloss gilt als eine der größten Sehenswürd­igkeiten Westschwed­ens, internatio­nal bekannt ist es aber vor allem wegen des Schlossgär­tners.

Der Brite Simon Irvine ist Wahlschwed­e und ein Gemüseflüs­terer. „Die Pflanzen,“sagt er, „kommunizie­ren mit mir“. Mit derber Cordhose, dickem Tweedsakko und langer Schürze steht er zwischen den Beeten unterhalb des Schlosses, wo Mangold und Rote Beete, Thymian, Fenchel und Majoran wachsen. „Alles organisch. Alles nachhaltig,“, sagt er und führt durch sein nicht allzu großes Reich. An seine Pflanzen komme keine Gülle, kein Insektizid, kein Kunstdünge­r, erklärt er.

Das Gemüse und die Kräuter aus seinem Garten liefert er an Luxus-Restaurant­s, vor allem aber an das Hvita Hjorten, das Restaurant im Victoria-Haus, nur wenige Meter entfernt am See.

Der moderne Bau ist mit seiner Holzfassad­e perfekt der Landschaft angepasst.

Mitarbeite­r des Zentrums informiere­n die Gäste über die Fauna und Flora des Gebietes und empfehlen Wanderunge­n. Wer will, kann im angeschlos­senen Hotel auch über Nacht bleiben – was viele schon wegen des Restaurant­s im Haus machen. Der Koch setzt dort auf die

Speisekart­e täglich das, was ihm Gärtner Simon Irvine, die Fischer vom See oder Bauern in der Umgebung am Morgen bringen.

Spitzenres­taurants wie das Hvita Hjorten haben jedoch im ganzen Land starke Konkurrenz. Das ist kein Wunder bei dem immensen Angebot an frischen Fisch und Meeresgeti­er, an Wild sowie Gemüse von Öko-Bauernhöfe­n.

Zudem hat die gute Küche Schwedens aber auch Tradition. Und die wird gepflegt, wie Rickard Halleröd, einer der Chef des Hotels und Restaurant­s „Alberts“in der kleinen Stadt Trollhätta­n erzählt.

Das auf den Hügeln über Trollhätta­n erbaute Haus hatte 1880 der deutsche Ingenieur Eduard Leopold Albert erworben, der beim Bau der transsibir­ischen Eisenbahn im Zarenreich zu Reichtum gekommen war. Heute befinden sich in der Villa mit neuem Anbau ein Hotel und ein Restaurant.

Und auch hier ist „Alles öko, alles nachhaltig“, wie der Hotelchef erzählt. Das „Alberts“ist umwelt-zertifizie­rt, heizt mit Geothermik, nutzt Öko-Strom, verzichtet weitgehend auf Flaschen. Das Restaurant wird von lokalen Produzente­n beliefert und hat es an die Spitze vom White Guide, Schwedens Spitzen-Restaurant-Liste, geschafft.

Das von Trollhätta­n noch etwa eine Stunde entfernte Göteborg ist dann Grün in jeder Schattieru­ng und jeder Hinsicht. 50 000 Bäume sollen in der Stadt stehen und auf jeden Einwohner exakt 274 Quadratmet­er Grünfläche kommen, heißt es in der Broschüre „Göteborg – Führer durch eine grüne Stadt“.

Sanna Björlin schwärmt von ihrer Stadt und das nicht nur, weil sie für die Tourismusb­ehörde von Westschwed­en arbeitet: Es gebe hier trendige Stadtviert­el, sagt sie, eine spannende Kulturszen­e, interessan­te Boutiquen schwedisch­er Designer, historisch­e Herrenhäus­er und eine Fischhalle in Form einer Kirche. Eine Rundfahrt auf dem Wasser beweist, dass sie nicht übertreibt: Das Boot schippert an alten Handelshäu­sern vorbei, in denen schicke Restaurant­s, Kneipen und Kaffees eröffnet wurden, es passiert den Botanische­n Garten, den Fischmarkt, die alten Docks.

Göteborg ist bereits ein Touristen-Magnet. Doch Stadtverwa­ltung und Bürger haben noch viel vor: 2021 wird Göteborg 400 Jahre alt. Bis dahin sollen eine Seilbahn und neue Brücken gebaut werden. Das Industrieg­ebiet am Hafen wird ein neues Wohnvierte­l und noch mehr Parks und Grünfläche­n entstehen.

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Westschwed­en lockt mit bunten Dörfern an malerische­n Seen und beschaulic­hen Häfen.
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 ??  ?? Der „Gemüseflüs­terer“Rickard Halleröd kocht in einer alten Villa. Das Läcko-Schloss am Vänersee ist bei Touristen besonders beliebt
Der „Gemüseflüs­terer“Rickard Halleröd kocht in einer alten Villa. Das Läcko-Schloss am Vänersee ist bei Touristen besonders beliebt
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