Barocke Pracht und frischer Fisch
West-Schweden lockt mit herzlichen Menschen, atemberaubenden Landschaften und einem Gemüseflüsterer
Bollebygd, Herrljunga, Lidköping, Trollhättan – wohl keiner dieser Orte auf der Route durch Westschweden hat es zu längeren Einträgen in Reiseführer geschafft. Und doch: Diese Orte und diese Landschaft sind atemberaubend. Die Fahrt führt vorbei an weiten Wiesen und dichten Wäldern, Ruinen aus der Wikingerzeit und imposanten Schlössern, durch kleine Dörfer und Städtchen mit bunten Holzhäusern.
Auch tief im Landesinnern sind Flüsse oder Seen nie weit entfernt. Und weil Westschweden auch noch kulinarisch auftrumpfen kann, wird eine Reise durch die Region zu einem besonderen Trip: für die Augen und den Gaumen, für die Seele und das Herz.
Das Läcko-Schloss liegt bei Lidköping inmitten eines Naturschutzgebietes am Vänersee, dem größten Gewässer in Schweden und erhebt sich dort am Ende einer Landspitze in barocker Pracht: in strahlendem Weiß, mit ZwiebelkuppelTürmchen und wehrhaften Mauern. Das Schloss gilt als eine der größten Sehenswürdigkeiten Westschwedens, international bekannt ist es aber vor allem wegen des Schlossgärtners.
Der Brite Simon Irvine ist Wahlschwede und ein Gemüseflüsterer. „Die Pflanzen,“sagt er, „kommunizieren mit mir“. Mit derber Cordhose, dickem Tweedsakko und langer Schürze steht er zwischen den Beeten unterhalb des Schlosses, wo Mangold und Rote Beete, Thymian, Fenchel und Majoran wachsen. „Alles organisch. Alles nachhaltig,“, sagt er und führt durch sein nicht allzu großes Reich. An seine Pflanzen komme keine Gülle, kein Insektizid, kein Kunstdünger, erklärt er.
Das Gemüse und die Kräuter aus seinem Garten liefert er an Luxus-Restaurants, vor allem aber an das Hvita Hjorten, das Restaurant im Victoria-Haus, nur wenige Meter entfernt am See.
Der moderne Bau ist mit seiner Holzfassade perfekt der Landschaft angepasst.
Mitarbeiter des Zentrums informieren die Gäste über die Fauna und Flora des Gebietes und empfehlen Wanderungen. Wer will, kann im angeschlossenen Hotel auch über Nacht bleiben – was viele schon wegen des Restaurants im Haus machen. Der Koch setzt dort auf die
Speisekarte täglich das, was ihm Gärtner Simon Irvine, die Fischer vom See oder Bauern in der Umgebung am Morgen bringen.
Spitzenrestaurants wie das Hvita Hjorten haben jedoch im ganzen Land starke Konkurrenz. Das ist kein Wunder bei dem immensen Angebot an frischen Fisch und Meeresgetier, an Wild sowie Gemüse von Öko-Bauernhöfen.
Zudem hat die gute Küche Schwedens aber auch Tradition. Und die wird gepflegt, wie Rickard Halleröd, einer der Chef des Hotels und Restaurants „Alberts“in der kleinen Stadt Trollhättan erzählt.
Das auf den Hügeln über Trollhättan erbaute Haus hatte 1880 der deutsche Ingenieur Eduard Leopold Albert erworben, der beim Bau der transsibirischen Eisenbahn im Zarenreich zu Reichtum gekommen war. Heute befinden sich in der Villa mit neuem Anbau ein Hotel und ein Restaurant.
Und auch hier ist „Alles öko, alles nachhaltig“, wie der Hotelchef erzählt. Das „Alberts“ist umwelt-zertifiziert, heizt mit Geothermik, nutzt Öko-Strom, verzichtet weitgehend auf Flaschen. Das Restaurant wird von lokalen Produzenten beliefert und hat es an die Spitze vom White Guide, Schwedens Spitzen-Restaurant-Liste, geschafft.
Das von Trollhättan noch etwa eine Stunde entfernte Göteborg ist dann Grün in jeder Schattierung und jeder Hinsicht. 50 000 Bäume sollen in der Stadt stehen und auf jeden Einwohner exakt 274 Quadratmeter Grünfläche kommen, heißt es in der Broschüre „Göteborg – Führer durch eine grüne Stadt“.
Sanna Björlin schwärmt von ihrer Stadt und das nicht nur, weil sie für die Tourismusbehörde von Westschweden arbeitet: Es gebe hier trendige Stadtviertel, sagt sie, eine spannende Kulturszene, interessante Boutiquen schwedischer Designer, historische Herrenhäuser und eine Fischhalle in Form einer Kirche. Eine Rundfahrt auf dem Wasser beweist, dass sie nicht übertreibt: Das Boot schippert an alten Handelshäusern vorbei, in denen schicke Restaurants, Kneipen und Kaffees eröffnet wurden, es passiert den Botanischen Garten, den Fischmarkt, die alten Docks.
Göteborg ist bereits ein Touristen-Magnet. Doch Stadtverwaltung und Bürger haben noch viel vor: 2021 wird Göteborg 400 Jahre alt. Bis dahin sollen eine Seilbahn und neue Brücken gebaut werden. Das Industriegebiet am Hafen wird ein neues Wohnviertel und noch mehr Parks und Grünflächen entstehen.