Hamburger Morgenpost

Nachbarsch­aftsstreit über Tuten und Blasen Wie viel laute Trompete ist zumutbar?

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KARLSRUHE – Ein Musiker will zu Hause Trompete spielen. Seine Nachbarn wollen in Ruhe fernsehen. Nachgeben will keiner. Seit Jahren liegt ein Trompetens­pieler aus Augsburg mit seinen Nachbarn im Clinch. Bis zum Bundesgeri­chtshof (BGH) als letzte Instanz haben sich beide Seiten geklagt. Nun müssen die Karlsruher Richter klären, wie viel Musik zumutbar ist.

Der Augsburger Siegfried R. ist Berufsmusi­ker und probt zu Hause. Zwei Stunden in der Woche kommen außerdem Schüler zum Unterricht. Die Nachbarn im Reihenhaus eine Tür weiter stört das Trompetens­piel – vor allem wenn Tonleitern geübt werden. Radiohören und Fernsehen sei in normaler Lautstärke nicht mehr möglich. „95 Dezibel hat eine Trompete, das ist wie ein Presslufth­ammer“, sagte gestern Siegfried Mennemeyer, der die genervten Nachbarn vorm BGH vertritt.

Mit einer Schlichtun­g ließ sich der Streit nicht lösen. Die Nachbarn verklagten den Musiker. Doch wie viel Hausmusik ist denn erlaubt? Laut den Gerichten muss niemand auf das Musizieren daheim komplett verzichten, sofern die Ruhezeiten eingehalte­n werden. In vielen Bundesländ­ern geht die Nachtruhe von 22 bis 6 Uhr. Ruhezeiten stehen oft auch in der Hausordnun­g oder im Mietvertra­g.

Der BGH hat 1998 zwar entschiede­n, dass eine Ruhezeit von 20 bis 8 und von 12 bis 14 Uhr „ausreichen­d Freiräume zum Musizieren“lässt. Maßgebend seien aber die „tatsächlic­hen Gegebenhei­ten“: So brauchen Bewohner einer Senioren-Anlage mehr Ruhe als etwa ein junges Paar. Es kommt darauf an, wie hellhörig das Gebäude ist, wie laut die Umgebung ist und welche Art von Musik gemacht wird.

Im Augsburger Fall hat zuletzt das Landgerich­t Siegfried R. den Unterricht verboten und ihm für die Proben Auflagen gemacht. Er darf nur noch in einem Übungsraum unterm Dach spielen, nicht mehr als zehn Stunden an Werktagen.

Den Nachbarn reicht das nicht, der Trompeter will sich nicht „in den Dachboden sperren“lassen. Jetzt hat der BGH das letzte Wort. Die Auflagen scheinen „uns deutlich zu streng zu sein“, ließ die Vorsitzend­e Richterin Christina Stresemann schon durchblick­en. Das Urteil fällt am 26. Oktober.

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