Der Flintenmacher
ANKE GEFFERS Michael Niemann hat einen kräftigen Händedruck. Der Büchsenmacher aus Tangendorf in der Nordheide ist ein Hüne von einem Mann, fast zwei Meter groß. Aber dass er überhaupt stehen und gehen kann, hat Niemann nur seinen Prothesen aus Stahl zu verdanken. Bei zwei Unfällen mit der Motorsäge verlor er beide Beine und beinahe auch seinen Lebensmut. Aber Niemann kämpfte. Ums Überleben, um sein Leben.
Es sind zwei Momente, die das Leben des leidenschaftlichen Jägers grundlegend veränderten. Am 19. September 1992 repariert er die Treppe seiner Jagdhütte, die laufende Motorsäge in der Hand. Plötzlich brechen die maroden Stufen ein, die Säge trennt seinen rechten Fuß ab. Niemann bindet die Wunde ab, schafft es unter Schock sogar noch, mit dem Auto zu einer Notrufsäule zu fahren.
Nach vielen Operationen lernt er wieder laufen, geht sogar zum Tanzen. In seiner Lieblingsdiskothek, dem „Welcome“in Hützel, fällt ihm eine junge Frau auf. Cornelia. „Ich habe ihr gesagt, dass mir ein Bein fehlt, dachte mir, wer will schon einen Beinamputierten. Aber sie hat nur gesagt, das macht nichts, mein Opa hatte auch eine Prothese.“Wenig später heiraten die beiden, bekommen zwei Kinder, Magnus und Louisa. Das Schicksal scheint es trotz allem doch noch gut mit Niemann zu meinen. Bis zum zweiten Tiefschlag, 18 Jahre später.
Wieder hat der Büchsenmacher eine Motorsäge in der Hand, dieses Mal arbeitet er an der Innenausstattung seiner Werkstatt, die er sich im Keller des Wohnhauses in Tangendorf eingerichtet hat. Bei laufendem Motor knickt er um, die Säge trennt das linke Bein ab. Niemann ist 49 Jahre alt und hat keine Beine mehr. „Manchmal wollte ich nicht weiterleben“, sagt er. „Aber ich habe eine tolle Frau und tolle Kinder. Und ich hatte eine gute Psychologin an meiner Seite.“
Mühsam lernt Niemann das Gehen mit Prothesen, mühsam lernt er, das Gleichgewicht zu halten. „Rollstuhl kommt für mich nicht infrage.“Auch heute noch, acht Jahre später, besucht er regelmäßig eine Gehschule.