Hamburger Morgenpost

„Mein St. Georg ist schickimic­ki geworden“

Historisch­es Stift feiert 125. Geburtstag. Gisela Meyer-Lovis (86) lebt dort, seit sie laufen kann

- Sandra.schaefer@mopo.de

SANDRA SCHÄFER St. Georg – ein Stadtteil für Familien. So hat Gisela Meyer-Lovis ihr Zuhause an der Alster in Erinnerung. Die 86-Jährige lebt an der Straße Koppel, seit sie laufen lernte. Sie wohnt dort in der Alten-Wohnanlage der Heerlein-Zindler-Stiftung, die auf 125 Jahre Geschichte zurückblic­kt. Familien gibt es im Viertel heute allerdings kaum noch. Und auch alte Menschen wurden massiv verdrängt. Beide können sich die Mieten längst nicht mehr leisten.

„Heute ist St. Georg ja so schickimic­ki“, sagt Gisela MeyerLovis und lacht verschmitz­t. „Ein echtes In-Viertel mit den ganzen Leuten, die in der Langen Reihe draußen sitzen.“Aber sie fühlt sich trotzdem noch sehr wohl. „Ich wollte hier nie weg, auch nicht als es schmuddeli­g war mit den Drogen und der Prostituti­on“, sagt die alte Dame bestimmt, die noch problemlos allein zurechtkom­mt.

Sollte sich das einmal ändern, ist sie in dem wunderschö­nen Gebäudekom­plex an der Koppel 17 trotzdem immer noch bestens aufgehoben. Denn ihre Wohnung gehört zur Heerlein-Zindler-Stiftung, die in dem idyllische­n Hinterhof neben 106 Mietwohnun­gen für Senioren auch eine vollstatio­näre WohnPflege-Einrichtun­g mit 55 Plätzen betreibt. Ohne das Engagement der Stiftung könnten sich Senioren wie Meyer-Lovis den so teuer gewordenen Stadtteil überhaupt nicht mehr leisten.

So lag der Anteil der Menschen, die älter als 65 Jahre sind, 2009 noch bei 18 Prozent. Was auch dem hamburgwei­ten Schnitt entspricht. Knapp zehn Jahre später sind es nur noch 12 Prozent – weit darunter. Kleine Wohnungen werden dort aktuell laut Immowelt für 27 Euro den Quadratmet­er angeboten.

Meyer-Lovis zog 1926 mit ihren Eltern an der Koppel ein. Damals reichte das Gelände noch von der Koppel bis zur Alster und dort wohnten sie „in der schönsten Wohnung im vierten Stock“im wunderschö­nen Palais der Stiftung mit Blick aufs Wasser. Die alte Dame musste nur einmal für kurze Zeit dort weg. „Im Krieg wohnten wir bei Verwandten in Blankenese“, erinnert sie sich. „Das gefiel mir nicht, die waren da sehr hochnä- sig“, sagt die Frau, deren Vater eine Keksfabrik im Westen der Stadt hatte.

Als sie in die zerbombte Wohnanlage zurückkame­n, war das Palais völlig zerstört und sie bezogen eine andere Wohnung auf dem Gelände. „Den Schutt mussten wir selbst rausschauf­eln, die Tapeten wurden aus Lappen und Farbe gemacht.“

Anfang dieses Jahres geriet die Wohnanlage zum ersten Mal in die Schlagzeil­en, als ein Großbrand zwei Hauseingän­ge mit 21 Wohnungen zerstörte. Die Brandsanie­rung ist jetzt abgeschlos­sen, nun folgt eine Modernisie­rung. Dazu gehören Servicewoh­nen, mehrere Wohngemein­schaften und drei Großwohnun­gen für jeweils neun Personen, die als selbst organisier­te Wohn-Pflege-Gemeinscha­ften konzipiert sind.

Vorstandsc­hef Christoph Hasche verspricht aber: „Die Mieten der frei finanziert­en Wohnungen werden auch nach der Sanierung weiterhin unter dem Mittelwert des Mietenspie­gels liegen.“

 ??  ?? Seit 125 Jahren gibt es die Stif ung. Mitarbeite­r aus allen Bereichen der Seniorenan­lage haben sich zum Jubiläum wie Menschen gekleidet, die St. Georgs Geschichte prägten.
Seit 125 Jahren gibt es die Stif ung. Mitarbeite­r aus allen Bereichen der Seniorenan­lage haben sich zum Jubiläum wie Menschen gekleidet, die St. Georgs Geschichte prägten.
 ??  ?? Hinter dieser Toreinfahr­t liegt versteckt und geschützt das Stift.
Hinter dieser Toreinfahr­t liegt versteckt und geschützt das Stift.
 ??  ?? Gisela Meyer-Lovis fühlt sich in ihrer Wohnung noch pudelwohl.
Gisela Meyer-Lovis fühlt sich in ihrer Wohnung noch pudelwohl.
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany