Letzte Chance vor dem Klima-GAU
Nur schnelles Handeln kann die Katastrophe noch verhindern
PARIS - Die Erderwärmung erfolgt schneller und mit schlimmeren Folgen als bisher angenommen. Das ist das Ergebnis des Sonderberichts des Weltklimarats (IPCC). Gegensteuern ließe sich nur durch einen drastischen Umbau der gesamten Weltwirtschaft.
Die gute Nachricht: Für eine Begrenzung der Erderwärmung auf 1,5 Grad im Vergleich zum vorindustriellen Niveau, wie es das Pariser Klimaschutzabkommen als Ziel vorgibt, ist es noch nicht zu spät. Allerdings sind „schnelle, weitreichende und beispiellose Änderungen in allen gesellschaftlichen Bereichen“nötig, heißt es in dem 400-Seiten-Bericht, an dem 91 Autoren mitgewirkt haben. Dies betrifft den Energiesektor ebenso wie Landwirtschaft, Bau und Verkehr.
➤ Bereits die schon eingetretene Erwärmung um etwa ein Grad sei verantwortlich für häufigere Extremwetter mit vielen Todesopfern, heißt es in dem von den 195 beteiligten Staaten gebilligten Text. Ohne eine drastische dauerhafte Verringerung der Treibhausgasemissionen sei aber ein Temperaturanstieg um zwei bis drei Grad zu erwarten.
➤ Um die 1,5-Grad-Grenze einzuhalten, muss laut IPCC der weltweite Ausstoß von Kohlendioxid (CO2 ) 2020 seinen Höhepunkt erreichen und danach deutlich sinken. Der Anteil erneuerbarer Energieträger muss bis zur Mitte des Jahrhunderts von derzeit etwa 20 Prozent auf mindestens 70 Prozent steigen. Der Anteil der Kohle muss möglichst auf null sinken. Die Kosten für den erforderlichen Umbau des Energiesektors schätzt der IPCC bis 2035 auf etwa 2,1 Billionen Euro. Ähnlich drastische Maßnahmen wären bei Verkehr und Landwirtschaft notwendig. Bei Tatenlosigkeit lägen die Kosten zur Bewältigung der Klimafolgen jedoch erheblich höher.
➤ Bei einer Erwärmung um bis zu zwei Grad bleiben die Folgen weitgehend kontrollierbar – dachten die Experten bisher. Ein Irrtum. In dem neuen Be-
richt gehen die Klimaforscher von einem exponentiellen Anstieg der Risiken zwischen den Zielmarken von 1,5 und 2,0 Grad aus. So dürfte die Wahrscheinlichkeit des Auftretens von Extremwetter, wie es einst einmal alle 100 Jahre auftrat, bei einem halben Grad mehr Erwärmung um etwa 50 Prozent zunehmen, der Fischfang in tropischen Gebieten vielerorts zusammenbrechen, Ernteerträge um 10 bis 15 Prozent sinken, Korallenriffe weltweit verschwinden. Auch die Eisschmelze in Arktis und Antarktis würde sich dann beschleunigen.
Sorgen macht den Forschern besonders ein Auftauen arktischer Permafrostböden. Große Mengen freigesetzten Methans würden dann den Klimawandel zusätzlich beschleunigen, ein drastischer Anstieg des Meeresspiegels dürfte die Folge sein.
Bundes-Umwelt- und -Forschungsministerium haben angesichts des neuen Berichts mehr Ehrgeiz im Kampf gegen die Erderwärmung gefordert. „Die nächsten Jahre sind entscheidend, damit unser Planet nicht aus dem Gleichgewicht gerät“, sagte Umweltministerin Svenja Schulze (SPD).