Hamburger Morgenpost

Und das soll schön sein, Herr Oberbaudir­ektor?

Franz-Josef Höing gerät bei öden Glaskästen in Ekstase – and rs als die meisten Bürg u erer Stadt

- Von THOMAS HIRSCHBIEG­EL

„Pfui! Igitt!“: Das ist die reflexhaft­e Reaktion einer Mehrheit von Architekte­n und Stadtplane­rn auf Retro-Bauten, also Neubauten von Gebäuden nach historisch­en Vorbildern. Viele MOPO-Leser dagegen sehen das ganz anders, begrüßen unseren Vorstoß begeistert, doch den historisch­en Hopfenmark­t an der Nikolaikir­che mit ebensolche­n Neubauten wieder zum Leben zu erwecken. Unser oberster Stadtplane­r, Oberbaudir­ektor Franz-Josef Höing, sieht das hingegen ganz anders. Er steht eher auf ziemlich langweilig­e moderne Gebäude.

Auf MOPO-Anfrage erklärte er zwar, den Hopfenmark­t neu zu gestalten, das sei eine „lohnenswer­te Aufgabe“. Da gebe es Potenzial, das es herauszuar­beiten gelte. „Das sollten wir aber nicht mit romantisch verklärten und vordergrün­digen Kulissensc­hiebereien tun, sondern ernsthaft und nach vorn gerichtet“, meint der 53Jährige.

Dieses Statement muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen. Menschen, die mittelalte­rliche oder barocke Bauten mögen, die die Deichstraß­e der HafenCity vorziehen, die sind also „romantisch verklärt“.

Wirklich? Oder haben diese Menschen nicht einfach eine große Sehnsucht nach Straßen, Plätzen und Quartieren, in denen man sich wohlfühlt? Die urban und nicht kalt sind.

Stattdesse­n sollen wir also nach „vorn blicken“und moderne Architektu­r toll finden. Die ist auch an vielen Orten in der Welt ganz wunderbar und spannend, aber die Beispiele in unserer Heimatstad­t, die sind doch recht dünn gesät. So viele „Berliner Bögen“oder „Tanzende Türme“gibt es an Alster und Elbe eben nicht. Viele Hamburger haben das Gefühl, dass unsere Stadt mit öden Kästen und Klötzen vollgestop­ft wird. Ist es denn abwegig, die HafenCity – an deren Planung Herr Höing vor Jahren an entscheide­nder Stelle mitgearbei­tet hat – kalt und abweisend zu finden? Noch viel schlimmer finden die unverbesse­rlichen „Romantiker“unter uns das Neubaugebi­et Neue Mitte Altona. Ein Klotz neben dem anderen in engen Häuserschl­uchten. Kann man sich dort wirklich wohlfühlen? Ja, meint Höing und

sagt: „Das finde ich gelungen.“Weil er dort nicht leben muss? Der Oberbaudir­ektor hat sich für eine Wohnung im urbanen St. Georg entschiede­n. Könnte es sein, dass der Professor für Städtebau dort in einem schönen Altbau lebt?

Höings Amtszeit dauert zunächst neun Jahre. Der Mann wird unzweifelh­aft die Stadt prägen. Und wo die Reise hingehen kann, zeigte sein Auftritt vor einigen Tagen bei der Vorstellun­g des Entwurfs für den Neubau des Verlags Gruner + Jahr in der HafenCity.

Bei der Pressekonf­erenz geriet Höing beinahe in Ekstase, sprach begeistert von einem „unglaublic­h schönen Haus“. Bei diesen Worten reagierten nicht wenige Besucher ungläubig, schauten sie doch entgeister­t auf den Entwurf eines schlichten Glaskasten­s. Es handelt sich hier um ein komplett austauschb­ares Haus, für das sich sicher nur wenige Hamburger so begeistern können wie der Oberbaudir­ektor.

Und das ist genau der springende Punkt in einer immer intensiver werdenden Architektu­r-Diskussion in unserer Stadt. Denn das, was die hochgebild­eten Fachleute so schätzen, mögen viele Hamburger eben nicht. Architekte­n und Stadtplane­r vermitteln gern das Gefühl, man könne die Qualität eines Gebäudes eben nicht erkennen, weil man ja nur Laie sei.

Die zentrale Frage ist aber doch: Für wen wird in Hamburg eigentlich gebaut? Für ein paar „Experten“oder für die Hamburger? Eine arrogante Haltung des Oberbaudir­ektors ist bei dieser Frage fehl am Platze.

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So berichtete die MOPO am vergangene­n Donnerstag. Viele Leser reagierten begeistert.
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Architekt Peter St. John, Gruner + Jahr-Chefin Julia Jäkel und Oberbaudir­ektor Franz-Josef Höing (v. l.) bei der Vorstellun­g des Entwurfs für das neue G+J-Verlagsgeb­äude

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