Und das soll schön sein, Herr Oberbaudirektor?
Franz-Josef Höing gerät bei öden Glaskästen in Ekstase – and rs als die meisten Bürg u erer Stadt
„Pfui! Igitt!“: Das ist die reflexhafte Reaktion einer Mehrheit von Architekten und Stadtplanern auf Retro-Bauten, also Neubauten von Gebäuden nach historischen Vorbildern. Viele MOPO-Leser dagegen sehen das ganz anders, begrüßen unseren Vorstoß begeistert, doch den historischen Hopfenmarkt an der Nikolaikirche mit ebensolchen Neubauten wieder zum Leben zu erwecken. Unser oberster Stadtplaner, Oberbaudirektor Franz-Josef Höing, sieht das hingegen ganz anders. Er steht eher auf ziemlich langweilige moderne Gebäude.
Auf MOPO-Anfrage erklärte er zwar, den Hopfenmarkt neu zu gestalten, das sei eine „lohnenswerte Aufgabe“. Da gebe es Potenzial, das es herauszuarbeiten gelte. „Das sollten wir aber nicht mit romantisch verklärten und vordergründigen Kulissenschiebereien tun, sondern ernsthaft und nach vorn gerichtet“, meint der 53Jährige.
Dieses Statement muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen. Menschen, die mittelalterliche oder barocke Bauten mögen, die die Deichstraße der HafenCity vorziehen, die sind also „romantisch verklärt“.
Wirklich? Oder haben diese Menschen nicht einfach eine große Sehnsucht nach Straßen, Plätzen und Quartieren, in denen man sich wohlfühlt? Die urban und nicht kalt sind.
Stattdessen sollen wir also nach „vorn blicken“und moderne Architektur toll finden. Die ist auch an vielen Orten in der Welt ganz wunderbar und spannend, aber die Beispiele in unserer Heimatstadt, die sind doch recht dünn gesät. So viele „Berliner Bögen“oder „Tanzende Türme“gibt es an Alster und Elbe eben nicht. Viele Hamburger haben das Gefühl, dass unsere Stadt mit öden Kästen und Klötzen vollgestopft wird. Ist es denn abwegig, die HafenCity – an deren Planung Herr Höing vor Jahren an entscheidender Stelle mitgearbeitet hat – kalt und abweisend zu finden? Noch viel schlimmer finden die unverbesserlichen „Romantiker“unter uns das Neubaugebiet Neue Mitte Altona. Ein Klotz neben dem anderen in engen Häuserschluchten. Kann man sich dort wirklich wohlfühlen? Ja, meint Höing und
sagt: „Das finde ich gelungen.“Weil er dort nicht leben muss? Der Oberbaudirektor hat sich für eine Wohnung im urbanen St. Georg entschieden. Könnte es sein, dass der Professor für Städtebau dort in einem schönen Altbau lebt?
Höings Amtszeit dauert zunächst neun Jahre. Der Mann wird unzweifelhaft die Stadt prägen. Und wo die Reise hingehen kann, zeigte sein Auftritt vor einigen Tagen bei der Vorstellung des Entwurfs für den Neubau des Verlags Gruner + Jahr in der HafenCity.
Bei der Pressekonferenz geriet Höing beinahe in Ekstase, sprach begeistert von einem „unglaublich schönen Haus“. Bei diesen Worten reagierten nicht wenige Besucher ungläubig, schauten sie doch entgeistert auf den Entwurf eines schlichten Glaskastens. Es handelt sich hier um ein komplett austauschbares Haus, für das sich sicher nur wenige Hamburger so begeistern können wie der Oberbaudirektor.
Und das ist genau der springende Punkt in einer immer intensiver werdenden Architektur-Diskussion in unserer Stadt. Denn das, was die hochgebildeten Fachleute so schätzen, mögen viele Hamburger eben nicht. Architekten und Stadtplaner vermitteln gern das Gefühl, man könne die Qualität eines Gebäudes eben nicht erkennen, weil man ja nur Laie sei.
Die zentrale Frage ist aber doch: Für wen wird in Hamburg eigentlich gebaut? Für ein paar „Experten“oder für die Hamburger? Eine arrogante Haltung des Oberbaudirektors ist bei dieser Frage fehl am Platze.