Unser täglicher Kampf um gleiche Rechte!
Edina Müller (35) ist Leistungssportlerin und seit 19 Jahren querschnittsgelähmt. In der MOPO erklärt sie, warum kleine Nachlässigkeiten ihr oft große Probleme bereiten
„Planetarium wirft Rollstuhlfahrer raus.“So stand es gestern in der MOPO. Ein Zeitungsbericht (mal wieder!) über einen körperlich behinderten Menschen, dem normale Teilhabe am öffentlichen Leben verweigert wird. Nicht aus Boshaftigkeit, einfach aus Unbedarftheit. Ich sitze selbst im Rollstuhl – und ich bin dieses Thema so leid! Deshalb mein Wunsch an alle Gebäude-Planer: Sorgt endlich dafür, dass wir gleichberechtigt behandelt werden! Und falls ihr nicht wisst, woran es haken könnte – fragt uns doch einfach!
Nico Schnittgers Erlebnis im Planetarium ist sehr typisch. Für 7,5 Millionen Euro wurde das Gebäude gerade umgebaut, und dabei hat offenbar niemand daran gedacht, das wesentliche Bedürfnis eines Rollstuhlfahrers zu berücksichtigen! Ja, das Gebäude ist barrierefrei. Nico kommt mit seinem Rollstuhl hinein, und es gibt extra Rollstuhlplätze.
Aber wo läuft im Planetarium die Show? An der Decke! Deswegen sitzen auch alle Besucher in Liegestühlen. Blöd gelaufen für den Rollstuhlfahrer...
Denn in so einem Sitz durfte Nico nicht sitzen. Aus Brandschutzgründen. Obwohl der Vater dabei ist, der bei einer Evakuierung helfen würde. Obwohl der Rollstuhl genauso viel Platz wegnimmt wie zuvor, als Nico noch drin saß.
In den 19 Jahren, die ich inzwischen im Rollstuhl sitze, hat sich wirklich viel getan. Wir sind auf einem guten Weg. Aber an so vielen Ecken hakt es noch. Wir müssen den nächsten Schritt gehen: echte Inklusion, nicht nur Integration.
Was das heißt? Ein Beispiel: Wenn Sie ein Haus haben, das nur per Treppe zu erreichen ist. Dann ist das ein Problem für den Rollstuhlfahrer.
➤ Integration bedeutet: Man baut eine Rampe. Aber die ist irgendwo verschämt am anderen Ende des Gebäudes. Nach dem Motto: Ja, okay, Rollstuhlfahrer dürfen hier schon auch rein.
➤ Inklusion bedeutet: Die Rampe steht vorne, man kann ganz normal wie alle anderen auch in das Gebäude hinein. Und keiner muss erst fragen, wie er reinkommt und ob der Hausmeister mit dem Schlüssel zum Seiteneingang kommen könnte. So etwa ist die Situation in der Elphi. Obwohl die nicht ganz günstig war und obwohl zunächst ein Inklusionsberater beteiligt war.
Solche Situationen sind immer noch Alltag. Kürzlich war mein Auto zwei Wochen kaputt. Mit dem HVV fahren? Horror! Es gab keinen Tag ohne Probleme. Ja, es gibt immer mehr Fahrstühle an den Stationen. Meist sind sie kaputt. Nach einem Knopfdruck meldet sich eine Stimme: „Fahren Sie doch eine Station zurück und nehmen Sie dort den Bus!“
Das macht mich wütend, und ich fühle mich hilflos. Der HVV muss nach Lösungen zu suchen.
In Kaufhäusern funktionieren die Fahrstühle immer. Auch in Kinos läuft die Gleichberechtigung. Und „Bäderland“hat mich für die Modernisierung der Alsterschwimmhalle gefragt, worauf sie in Sachen Barrierefreiheit achten müssen. Manches hat man vielleicht nicht so im Blick – das ist ja auch nicht schlimm. Aber dann hilft fragen!
Mit 16 Jahren hatte ich einen Sportunfall. Seitdem bin ich querschnittsgelähmt. Wenn man das erste Mal im Rollstuhl vor einer Treppe steht, dann ist die auf einmal ein unüberwindlichen Hindernis.
Gerade beim städtischen Wohnungsbau wünsche ich mir: Sorgt für mehr Barrierefreiheit! Es ist schon schwer genug, eine Wohnung in Hamburg zu finden. Aber als Rollstuhlfahrer? Man kann sich auf eine Liste setzen lassen. Auf Platz 500 etwa ...
Wir sind ganz normale Menschen, üben Berufe aus, zahlen Steuern. Wir wollen normal am Alltag teilhaben, im Restaurant, in der Elphi, im Planetarium. Ich hoffe, dass unsere Bedürfnisse irgendwann – möglichst bald – ganz selbstverständlich mitgedacht werden, dass es ein Automatismus wird. Das Schöne ist: Im Alltag begegne ich eigentlich nur netten, hilfsbereiten Menschen – das sind doch schon mal beste Voraussetzungen.