Zockt der Senat Vattenfall ab? Netz plötzlich mehr wert als bisher gedacht. Kerstan: „Habe Olaf Scholz unterschätzt“
Was wurde über den Fernwärme-Deal gespottet! 950 Millionen Euro sicherte der Senat Vattenfall 2014 zu, zum Jahreswechsel soll der Rückkauf stattfinden (MOPO berichtete). Jetzt stellt sich heraus: Offenbar hat die Stadt den Energiekonzern regelrecht über den Tisch gezogen!
Zuletzt hatte es danach nun überhaupt nicht ausgesehen. Ein Wertgutachten der Beratungsgesellschaft BDO taxierte den Unternehmenswert der Fernwärmegesellschaft auf 645 Millionen Euro. Bedeutet: Die Stadt zahlt 300 Millionen Euro zu viel – ein Finanzdesaster! Die Opposition ging bereits auf die Barrikaden, selbst Umweltsenator Jens Kerstan (Grüne) wetterte vor Wochen gegen den von Alt-Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) ausgehandelten Vertrag mit Vattenfall.
Das klingt inzwischen anders. „Asche auf mein Haupt. Ich habe Olaf Scholz unterschätzt“, sagt Kerstan und lacht. Dazu hat er auch allen Grund: Ein neues Gutachten der Beratungsgesellschaft LBD kommt zu dem Ergebnis, dass das Fernwärmenetz plötzlich 1,1 Milliarden Euro wert ist! Wie kann das sein?
Grund dafür sind unterschiedliche Methoden. Das BDO-Gutachten war ein „objektives Gutachten“. Das sollte im Sinne des Käufers und Verkäufers den Wert des Netzes ermitteln. Das erfolgt nach dem gängigen Bewertungsstandard „IDWS1“, der sehr hohe Renditeziele von sieben bis acht Prozent festsetzt – und je höher die Renditeerwartung, desto geringer wird der Unternehmenswert beziffert.
Das LBD-Gutachten, ein sogenanntes „subjektives Gutachten“legt die vom Senat angepeilte Renditeerwartung von 5,5 Prozent zugrunde – und kommt dadurch auf den deutlich höheren Unternehmenswert.
Berücksichtigt wird dabei auch noch die bevorstehende Verlängerung der Bundesförderung von Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen in Höhe von rund 150 Millionen Euro. „Selbst wenn die wegfallen würde, würde sich der Unternehmenswert auf Höhe des verhandelten Mindestkaufpreises bewegen“, so Kerstan. Das sei auch der Grund, warum Vattenfall bis zuletzt darum gerungen habe, weiter im Hamburger Fernwärmegeschäft zu bleiben.
Ein weiterer Beleg für einen deutlich höheren Wert der Fernwärmegesellschaft sei ein erster Privat-Investoren-Test. Der Senat hatte sich von sieben Banken Angebote für die Fernwärmegesellschaft eingeholt. Ergebnis: Im Schnitt wurde mehr als eine Milliarde Euro dafür geboten. Allerdings hat niemand vor zu verkaufen.
Kommende Woche soll die Senatsdrucksache zum Rückkauf veröffentlicht werden. Der Netzwert wird dort wohl auf rund 930 Millionen beziffert – weil die Finanzbehörde Vorsichtsabschläge einplant.