Eine Reise ins Blaue
Das ist nur etwas für echte Abenteurer: Unser Autor hat sich auf einen Kurztrip begeben, von dem er vorher nicht wusste, wohin er geht. Ein Erfahrungsbericht
Von SASCHA RETTIG
Statt alles durchzuplanen und das Ziel schon vor der Abreise im Internet bis in die letzte Ecke zu erkunden, kann man sich auch einfach mal überraschen lassen. „Unplanned.de“organisiert individuelle Kurztrips, bei denen das Ziel bis zum Abreisetag ein Geheimnis bleibt – wenn die Neugierde nicht siegt.
Eigentlich wäre es kein Problem sofort zu erfahren, wohin die Reise geht. Dafür müsste man nur den großen, schwarzen Umschlag aufreißen, das Pappschild herausziehen und schon wüsste man Bescheid. Doch will man wirklich der Spielverderber sein, wenn man der Einzige ist, der bei dem Spiel nicht mitspielt? Das Ziel des Kurztrips ist schließlich als Überraschung geplant, die Spekulation darüber, der Spaß und das Ungewisse der Thrill. Also wird die Neugierde gezähmt und der Versuchung noch widerstanden – bis zum letztmöglichen Augenblick am Flughafen.
Das allein ist schon eine Herausforderung, wenn man beim Reisen eigentlich ein Kontrollfreak und ein Planer ist. Die Hotels und Restaurants werden sonst vor der Abreise sorgfältig ausgewählt. Die Zeit woanders ist schließlich kostbar, da soll keine Minute verloren gehen mit Hotelsuche oder mittelmäßigem Allerweltsessen. Diesmal aber liegen sämtliche Planungen in der Hand von „Unplanned.de“, einem recht jungen Unternehmen, das sich auf Überraschungstrips spezialisiert hat.
So ganz ins Blaue und raus aus der Komfortzone schicken sie einen allerdings nicht. Um die unendlichen Möglichkeiten einzuschränken, wurde bei der Buchung sechs Wochen vorm Abflug als allererstes ein Fragebogen ausgefüllt: Drei Nächte sollen es werden. Camping im Zelt muss nicht sein. Inhaltlich kann man sich zudem zwei von zahlreichen Schwerpunkten aussuchen. Aktiv in der Natur soll einer sein. Und kulinarisch der andere. Und drei Ziele, die man schon kennt, können gleich getilgt werden. In diesem Fall landen England, Lettland und Mallorca auf der Liste.
Wenige Tage später klingelt noch das Telefon. Eine Mitarbeiterin von „Unplanned“will sich noch einmal vergewissern: Gibt es irgendwelche Dinge, die auf die Reisestimmung drücken könnten und daher komplett ausgeschlossen werden sollten? Nein, die gibt es nicht. Danach hört man erst einmal nichts mehr.
Je näher die Reise kommt, desto mehr tröpfeln die Hinweise ein – und mit ihnen die Verlockungen nachzuforschen. Erst kommt zehn Tage vor Abreise eine Mail mit den Flugdaten im Anhang. In einem schwachen Moment wird das Dokument anklickt – aber, Gott sei Dank, ist es mit einem Passwort geschützt. „seikeinspielverder“heißt es.
Kurze Zeit später liegt der Umschlag mit seinem großen Geheimnis im Briefkasten. Ein dickeres Büchlein mit Reiseinfos lässt sich darin ertasten. Bis zur Abreise wird er als Blickfang in der Wohnung stehen: als Erinnerung zum Grübeln und als Gesprächsstoff beim Besuch von Freunden. In den Harz geht es, nach Elend, vermutet ein Freund grinsend. „Die schicken dich nach Kroatien“, vermutet ein anderer. Die Grenze für sämtliche Spekulationen ist Europa.
Letztlich bleibt es aber bei Indizien, die sich drei Tage vor Abflug noch einmal häufen: Der Treffpunkt ist am Flughafen Berlin-Schönefeld um 11 Uhr. Für den Flug sind 20 Kilo Gepäck plus zwei Handgepäckstücke inklusive. Für die Reisetage wird am Ziel Sonnenschein vorhergesagt.
Auf dem Flughafen, Terminal A, vor der Anzeigetafel wird der Umschlag endlich aufgerissen. Das Ziel ist…
Nun ja, zunächst sorgt der Name der Stadt für fragende Blicke? Sie war bislang nicht auf dem Reiseradar und wäre es auch nicht für die Zukunft gewesen. Zwei Flugstunden und eine kurze Fahrt im Mietwagen später aber öffnet sich das Tor zu einem schicken Boutiquehotel, das umgeben ist von Feldern mit Olivenbäumen. Vom Garten aus kann man bis zum Meer sehen. Nach einer kurzen Orientierung beginnen drei spannende Tage, die wie ein unerwarteter Rausch vorbeiziehen – und viel Lust aufs Wiederkommen machen.
Es gibt antike Ruinen, verwinkelte Altstädte und alte Küstenorte. Man schiebt sich mit Touristenmassen durch eine überlaufene Kleinstadt voller Trulli, den historischen Zipfeldachhäusern, und entdeckt ganz köstliches Essen – ob beim Frühstück beim Bauern nebenan oder im Restaurant „Silve“, wo die vergötterte Mama des gleichnamigen Besitzers in der Küche steht.
Wohin die Reise ging? Nach Spanien? Italien? Oder Griechenland, wie auf dem Stirnband von Silves Mutter steht? Das könnte ein Geheimnis bleiben. Aber da Sie ja keinen Umschlag haben, lüfte ich meinen für Sie: nach Fasano in Apulien im südlichsten Italien. ungetrübter bei 27 Grad
Die Reportage wurde unterstützt von www.unplanned.de