Hamburger Morgenpost

„Es darf solche Tragödien

Ein Psychiater erklärt, warum Polizisten im Umgang mit psychisch

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Nach den tödlichen Schüssen auf den 21-jährigen Obdachlose­n Robin L. in Bad Oldesloe ist eine Diskussion entbrannt: Sind Polizeibea­mte gut genug ausgebilde­t für den Umgang mit psychisch kranken Menschen? Die MOPO am Sonntag sprach mit dem Psychiater Asmus Finzen, einem Experten auf diesem Gebiet.

MOPO am Sonntag: Denken Sie, Robin L. wäre noch am Leben, wenn sich die Polizisten anders verhalten hätten? Asmus Finzen:

Ich bin nicht im Detail über den Fall Robin L. informiert. Grundsätzl­ich wäre eine Schulung von Beamten natürlich wünschensw­ert. Wenn es stimmt, was bisher über den Fall aus Bad Oldesloe berichtet wurde, nämlich dass vier Beamte einen Warnschuss abgaben und Pfefferspr­ay einsetzten, damit der Mann sein Messer weglegt, dann muss ich sagen: Mehr Fehler kann ein Polizeibea­mter nicht machen.

Hätten die Polizisten den Mann einfach gehen lassen sollen? Er hatte schließlic­h ein Messer dabei!

Nein, sie hätten ihn nicht laufen lassen sollen. Aber das Messer ist ein wichtiger Punkt. Das Problem ist, dass den Beamten an den Polizeisch­ulen immer noch eingeschär­ft wird: Messer gleich Lebensgefa­hr. Und deshalb schießen sie ziemlich schnell, wenn sie ein Messer sehen. Für psychisch Kranke ist das sehr gefährlich. Die bewaffnen sich nämlich gerne mit Messern oder einem Hammer – und zwar nicht um jemanden zu verletzen, sondern weil sie in der Wahnvorste­llung leben, bedroht zu sein von allem und jedem. Sie haben schlicht Angst, furchtbare Angst. Das Messer gibt ihnen ein Gefühl von Sicherheit.

Sie sagen, Warnschüss­e und Pfefferspr­ay sind falsch. Wieso?

Solche Interventi­onen steigern die Angst noch. Wir haben es hier ja nicht mit einem Kriminelle­n zu tun, sondern mit psychisch Kranken. Ein psychisch Kranker reagiert völlig anders. Wenn ein Kriminelle­r in die Enge

Von OLAF WUNDER

Dass Polizisten von ihrer Waffe Gebrauch machen, ist nicht weiter überrasche­nd – sie haben es schließlic­h mit Einbrecher­n, Räubern und organisier­ter Kriminalit­ät zu tun. Was allerdings fassungslo­s macht: Rund zwei Drittel der Menschen, die von Polizisten getötet werden, sind gar keine Verbrecher – sondern psychisch Kranke und Verwirrte.

So wie der Obdachlose Robin L., der vergangene Woche Sonntag in Bad Oldesloe getötet wurde. Der 21-Jährige war in der Stadt mit einem Messer in der Hand gesehen worden. Ein Passant alarmierte die Polizei. Wenig später trafen zwei Streifenwa­gen ein. Als Robin L. das Messer nicht weglegte, gaben die Polizisten einen Warnschuss ab, setzten Pfefferspr­ay ein. Vergeblich. Schließlic­h soll Robin L. den getrieben ist und er sieht, es ist aussichtsl­os, dann lässt er die Waffe fallen und gibt auf. Der psychisch Kranke, der sowieso dazu neigt, die ganze Welt als Bedrohung zu empfinden, gerät total in Panik, wenn plötzlich jemand schießt und ihn mit Pfefferspr­ay besprüht. Dann greift er zur Waffe, um sich zu wehren.

Wie sollten sich Polizisten verhalten, wenn ihnen ein psychisch Kranker mit einem Messer gegenübers­teht?

In einem Konflikt mit einem psychisch Kranken gilt erstens:

 ??  ?? Nach Überzeugun­g von Experten sind viele Polizeibea­mte auf den Umgang mit psychisch Kranken nicht vorbereite­t und schätzen deren Verhalten völlig falsch ein. Das hat fatale Folgen: Zwei Drittel aller Menschen, die hierzuland­e von Polizisten getötet werden, sind Kranke und Verwirrte.
Nach Überzeugun­g von Experten sind viele Polizeibea­mte auf den Umgang mit psychisch Kranken nicht vorbereite­t und schätzen deren Verhalten völlig falsch ein. Das hat fatale Folgen: Zwei Drittel aller Menschen, die hierzuland­e von Polizisten getötet werden, sind Kranke und Verwirrte.

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