Hamburger Morgenpost

Nicht mehr geben!“

Gestörten Menschen oft falsch reagieren – und fordert Schulungen für Beamte

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Abstand halten. Menschen, die schwere psychische Erkrankung­en haben, haben ein anderes Gefühl für den Abstand, den sie zwischen sich und anderen brauchen. Zweitens: Die Polizeibea­mten müssen dafür sorgen, dass nur einer von ihnen Kontakt zu dem psychisch Kranken aufnimmt. Auf keinen Fall dürfen sie von allen Seiten auf ihn einreden. Nur einer darf sprechen, und der muss versuchen, beruhigend auf den Menschen einzuwirke­n.

Und wenn der psychisch Kranke dann immer noch nicht das Messer weglegt?

Die intervenie­renden Beamten brauchen Geduld – ähnlich wie bei einer Geiselnahm­e. Tatsächlic­h sind die Kranken ja gleichsam Geiseln ihrer Krankheit. Mein dringender Rat ist, dass sich der einfache Streifenbe­amte lieber zurückhält. Er ist nicht trainiert für eine solche Situation. Am besten, er beschränkt sich darauf, die Lage zu beruhigen, und ruft parallel den sozialpsyc­hiatrische­n Dienst, dessen Mitarbeite­r eine solche Situation garantiert gewaltfrei lösen. Denkbar wäre es auch, das SEK zu alarmieren. Da arbeiten Polizisten, die trainiert sind für so etwas und die alles dafür tun, dass aus einer solchen Geschichte alle Beteiligte­n lebend herauskomm­en.

Robin L. ist tot. Der Polizeibea­mte, der ihn erschossen hat, lebt. Wie mag es ihm ergehen?

Beamte, die einen Menschen erschießen, leiden oft jahrzehnte­lang darunter, vielleicht für immer. Posttrauma­tische Stresssymp­tome sind die Folge: Angst, Schlaflosi­gkeit. Der Beamte muss sich in Behandlung begeben – und wird trotzdem vielleicht nie darüber hinwegkomm­en.

Diese Geschichte hat am Ende wohl zwei Opfer: Robin und den Polizisten.

Ja, deshalb appelliere ich an die Politik: Es muss sich was ändern. Im Interesse der Polizisten und der psychisch Kranken darf es solche Tragödien nicht mehr geben!

Das Interview führte Olaf Wunder

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Asmus Finzen (78) ist Arzt und Professor für Sozialpsyc­hiatrie

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