Hamburger Morgenpost

Bayern-Beben: Mega-Watschn für CSU und SPD

Erdrutsch-Wahl: Seehofer-Partei schmiert ab, SPD nur noch einstellig. Grüne bei 17,7 Prozent. AfD holt 10,3 Prozent.

- RD

MÜNCHEN - In Bayern bleibt kein Stein auf dem anderen: Bei der Landtagswa­hl hat die CSU drastisch verloren. Ein böse gerupfter Markus Söder muss sich Partner suchen – mehr Schmach für die machtverwö­hnten Christsozi­alen geht kaum.

„Demut“versprach Söder am Abend. Die braucht der Ministerpr­äsident auch: 37 Prozent für Bayerns FastStaats­partei – das Ergebnis der Landtagswa­hl ist eine böse Niederlage. Fast ein Viertel der CSU-Wähler ergriff die Flucht – zu AfD und Freien Wählern, vor allem aber ins andere politische Lager, zu den Grünen.

Doch nicht nur Söder trat an diesem dramatisch­en Wahlabend mit hängenden Mundwinkel­n vor die Kameras: „Das tat weh“, rang sich Andrea Nahles ab – die SPDChefin musste mitansehen, wie Parteifreu­ndin Natascha Kohnen vor Ort unter die Räder kam: Nicht mal zehn Prozent verirrten sich zu den Sozialdemo­kraten – kaum ein Wähler suchte hier noch nach Antworten.

Die fanden sie dafür bei den Grünen: Aus allen Richtungen strömten denen die Wähler zu, mit rund 18 Prozent verdoppelt­en sie sich locker. Solide das Ergebnis der Freien Wähler: Die bajuwarisc­he Besonderhe­it konnte nicht nur zulegen – sie dürfte nun auf dem Weg ins Kabinett sein.

Wenig Grund zum Jubel hatten dafür AfD und FDP: Die Rechtspopu­listen kamen auf gut 10 Prozent und blieben damit klar hinter ihren Erwartunge­n zurück, die Liberalen zitterten sich durch den Abend: Hochrechnu­ng nach Hochrechnu­ng sah sie bei 5 Prozent – kein schönes Gefühl. Trotz eines frischen Wahlkampfe­s draußen blieben die Linken.

Wo die Demoskopen sich sicher sind: Diese Wahl hätte für die Christsozi­alen noch viel schlimmer kommen können! Gerettet wurden sie von bisherigen Nichtwähle­r, die wohl doch nicht tatenlos zusehen wollten beim Schiffbruc­h der Dauerregie­rer.

Weshalb Parteichef Horst Seehofer und Ministerpr­äsident Markus Söder am

Abend auch immer wieder den „Wählerauft­rag“ansprechen konnten, der ja für „stabile Verhältnis­se“in Bayern gesorgt habe. Die beiden notorische­n Parteifein­de hatten sich laut „Bild“abgestimmt: Kein öffentlich­es Zerfleisch­en angesichts einer krachenden Niederlage. Über Münchens Staatskanz­lei herrschte Burgfriede­n – erst mal.

Stimmt ja auch: Ohne die CSU geht in Bayern auch weiterhin nichts. Als Koalitions­partner kommen Freie Wähler, SPD und Grüne in Frage. Ob die ins Abseits gewählte SPD überhaupt bereit wäre, dürfte sehr fraglich sein. Hubert Aiwangers bajuwarisc­hkonservat­ive Trachtentr­uppe würde es der CSU in der Sache garantiert leicht machen – die naheliegen­dste Lösung. Mit den Grünen gäbe es sogar eine satte Mehrheit im Landtag. Doch, da sind sich beide Parteien einig: Koalitions­verhandlun­gen wären bei Knackpunkt­en wie Zuwanderun­g und Soziales eine echte Herausford­erung. Reden will man trotzdem.

Frösteln lösten die Zahlen aus München umso mehr im Bund aus. Das Ergebnis ist ein Doppelschl­ag für die GroKo: Die Union hat schwer unter Horst Seehofers Dauerranda­le gelitten. Zurücktret­en will er vorerst nicht, wie er gestern betonte. Doch so oder so: Diese ramponiert­e CSU wird in künftigen Koalitions­runden kaum zutraulich­er werden.

Für den Partner SPD läuft gar die Sanduhr: Die Sozialdemo­kraten sind bundesweit im freien Fall. Sollte Hessen in zwei Wochen die nächste Pleite liefern, stellt sich nicht nur die Frage nach Andrea Nahles’ Zukunft – sogar das Überleben der einst so stolzen Volksparte­i hängt am ganz dünnen seidenen Faden.

In München wird sich die CSU mit neuen Partnern durchhange­ln können – doch im Bund musste Angela Merkel erleben, wie weit die Macht ihrer Koalition bereits erodiert ist. Es herrscht Endzeitsti­mmung für Schwarz-Rot.

Niemand ist deutscher als andere, es gibt nicht das Deutschlan­d, sondern es gibt Millionen Deutschlan­ds.“ Herbert Grönemeyer auf der „#Unteilbar“-Demonstrat­ion in Berlin

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 ??  ?? Dunkle Wolken über München: Für den CSU-Vorsitzend­en Horst Seehofer wird es jetzt ganz eng, macht Regierungs­chef Markus Söder ihn für die Wahlnieder­lage verantwort­lich?
Dunkle Wolken über München: Für den CSU-Vorsitzend­en Horst Seehofer wird es jetzt ganz eng, macht Regierungs­chef Markus Söder ihn für die Wahlnieder­lage verantwort­lich?
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 ??  ?? Ins Abseits gewählt: kein schöner Abend für SPD-Spitzenkan­didatin Natascha Kohnen
Ins Abseits gewählt: kein schöner Abend für SPD-Spitzenkan­didatin Natascha Kohnen

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