Hamburger Morgenpost

Stärker als die Gewalt

Er überlebte eine Attacke deutscher Hooligans

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PARIS - Vor 20 Jahren änderte sich das Leben von Daniel Nivel schlagarti­g und unumkehrba­r. Während des WMGruppens­piels zwischen Deutschlan­d und Jugoslawie­n in Lens wurde er von deutschen Hooligans fast zu Tode geprügelt. Jetzt, am Rande der Nation-LeaguePart­ie zwischen Frankreich und der DFB-Elf, wurde er mit dem Bundesverd­ienstkreuz geehrt.

Ein weiterer Versuch etwas wiedergutz­umachen, was eigentlich nicht wiedergutz­umachen ist. Seit dem 21. Juni 1998 war das Leben von Daniel Nivel, seiner Frau und seinen beiden Kindern nicht mehr das gleiche. Der damals 43 Jahre alte Gendarm bewachte mit zwei Kollegen einen Durchgang in der Stadt Lens, als ein Mob aggressive­r Männer auf sie zukam. Seine Kollegen konnten flüchten, doch Nivel wurde mit einem Reklamesch­ild niedergesc­hlagen. Die deutschen Hooligans traten auf den Polizisten ein, immer wieder, auch auf den Kopf. Als die Schläger mit Nivel fertig waren, lag er in einer Blutlache. Sein Schädel war zertrümmer­t, ein Halswirbel gebrochen, die linke Hirnhälfte hatte großen Schaden genommen.

Sechs Wochen lag Nivel nach dem Martyrium im Koma, richtig gesund wurde er nie. Bis heute ist er halbseitig gelähmt, kann auf dem rechten Auge nichts sehen, er kann nichts riechen und schmecken. Reden strengt ihn an. Gehen auch. Die rechte Hand kann er kaum bewegen. Er ist ein Pflegefall. „Sie haben ihm seine Freiheit genommen. Er hat keine Autonomie mehr“, sagte Lorette Nivel, Daniels Ehefrau, 2008 einer französisc­hen Regionalze­itung.

Immer wieder ist der ehemalige Polizist, der seit dem Hooliganan­griff keiner Arbeit mehr nachgehen kann, Gast der DFB-Delegation, wenn die deutsche Nationalma­nnschaft in Frankreich spielt. Der Verband beteiligt sich zudem an der DanielNive­l-Stiftung, die das Ziel verfolgt, fußballori­entierte Gewalt zu ergründen. Direkt nach der Tat wurden in Deutschlan­d 100000 Mark gesammelt und der Familie Nivels gespendet, es gab außerdem auch ein Benefizspi­el.

Nun verlieh Bundesauße­nminister Heiko Maas dem heute 63 Jahre alten Nivel das Bundesverd­ienstkreuz. „Er sei ein Vorbild für die Menschlich­keit“, sagte der SPD-Politiker. Der ehemalige Gendarm sei „zu einem Symbol gegen Hooligange­walt und Nationalis­mus geworden“. Nivel wäre das alles sicher gerne nicht gewesen, wenn er dafür von dem deutschen Schlägertr­upp verschont worden wäre. Seine schweren Hirnschäde­n bleiben für immer, seine Peiniger haben ihre Strafen hingegen längst abgesessen.

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Daniel Nivel mit dem Bundesverd­ienstkreuz in der deutschen Botschaft in Paris Lens, 1998: Daniel Nivel liegt auf dem Boden. Ein Mann schlägt auf ihn ein.

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