Richterin rechnet mit der Polizei ab
Erster Prozess der Soko „Cold Case“ein Fiasko
„Die Soko ,Cold Case‘ muss Fehler aufarbeiten“, stellte die Vorsitzende Richterin Anne Meyer-Göring klar. „So ein Verfahren, das nur Verlierer, aber keine gerichtshaltbaren Beweise produziert, darf es nie wieder geben.“Der erste Prozess der Sonderkommission endet in einem Debakel für den ehrgeizigen SokoChef Steven Baack (37).
Der Angeklagte wurde freigesprochen, Meyer-Göring kritisierte „hochsuggestive Befragungen von Zeugen“und grobe handwerkliche Fehler in der Polizeiarbeit. Dabei sollte es der erste fulminante Erfolg der Soko „Cold Case“werden: Im Februar 2018 war Frank S. (54) verhaftet worden, Steven Baack persönlich bugsierte ihn damals im Blitzlichtgewitter in das Polizeiauto.
Frank S. sollte derjenige sein, der im November 1980 eine damals 16-jährige Schülerin in Steilshoop mit einem Messer nahezu ermordet hat. Nach der Beweisaufnahme im Gericht steht fest: Er ist unschuldig.
Meyer-Göring: „Die Indizien haben aufgrund fehlerhafter Polizeiarbeit wenig Beweiskraft.“So wurden dem Opfer etwa Fotos von jungen Männern vorgelegt, auf denen sie den Täter von damals erkennen sollte. Allerdings stammte nur das Jugendfoto des Angeklagten erkennbar aus den 80ern. Die Zeugin identifizierte Frank S. darauf zu „80 bis 90 Prozent“.
Steven Baack, so die Richterin weiter, habe der Frau suggeriert, die Polizei habe den Täter bereits überführt: „Wie bitter muss es für die Nebenklägerin sein, dass sie mit dem heutigen Freispruch wohl endgültig der Hoffnung beraubt wurde, zu erfahren, wer ihr dieses unsagbare Leid angetan hat?“
Was das Gericht erst im Prozess erfuhr: Das damalige Opfer hatte dem SokoChef eine Mail geschickt, in der die schwer traumatisierte Frau auch den gerade gefassten „Göhrde-Mörder“als ihren Peiniger von damals erkannt haben will.
Der wichtigste Zeuge, ein Jugendfreund des Angeklagten, „sprudelte“erst über mit belastenden Angaben, nachdem Baack ihn auf eine mögliche Belohnung von 3000 Euro hingewiesen hatte. Im Verfahren stellte sich allerdings heraus, dass der erinnerungsfreudige Zeuge, auf den sich die Anklage stützte, ein Jahr vor der Tat aus Steilshoop weggezogen war.
Das polizeiliche Verhalten „übersteige die kriminalistische List“, so die Richterin: „Hätten wir gewusst, wie die Zeugenaussagen zustande gekommen sind, wir hätten das Verfahren nicht eröffnet.“
Die letzten Worte richtet Meyer-Göring an den Angeklagten: „Sie haben verzweifelt versucht, Ihre Unschuld zu beweisen. Aber was hilft die Unschuldsvermutung, wenn die Polizei überzeugt ist, dass man der Täter ist? Wir hoffen, Sie finden Ihren Frieden wieder.“Frank S., abgemagert und gealtert, wird für die U-Haft und die Durchsuchung seiner Wohnung entschädigt.