Hamburger Morgenpost

Das Drama um die wohnungslo­sen Frauen

Anders als die Männer achten sie sehr auf ihr Äußeres und sind kaum erkennbar

- SANDRA SCHÄFER sandra.schaefer@mopo.de

Die Waschmasch­ine läuft auf Hochtouren, Irina M. (42) kommt im Bademantel aus der Dusche und liest dann auf dem Sofa erst mal in Ruhe Zeitung. Was wie eine alltäglich­e Szene klingt, ist für Frauen wie Irina M. Luxus. Sie ist wohnungslo­s und kann solche Momente nur in der „Kemenate“genießen. Denn in dem Tagestreff für Wohnungslo­se sind Frauen unter sich. In Hamburg leben offiziell mehr als 7300 wohnungslo­se Frauen. Und die Dunkelziff­er ist enorm. Eine hübsche Wohnsiedlu­ng mitten in Eimsbüttel, mit Kopfsteinp­flaster und großen Bäumen. So gegen 14 Uhr öffnet und es steh kleine Traub en vor dem Haus. Viele Hackenpors­c Koffer hinte Manche kom auch ohne päck. Aber k ne sieht gendwie au fällig aus. Da bei sind fas alle wohnungslo­s. Sie haben kein eigenes Zuhause. Das b deutet a nicht auto tisch, dass unter Brüc oder im schlafen. D das wäre vi gefährlich. Um das zu vermeiden, kriechen sie zeitweise bei Verwandten oder Freunden unter, bezahlen mal für eine Nacht eine Pension. Einige gehen auch kurz- oder längerfris­tige sexuelle Beziehunge­n ein, um einen Schlafplat­z zu haben. Viele schlüpfen in den städtische­n Notun- terkünften unter. Die Übergänge zur Obdachlosi­gkeit können dabei fließend sein. „Unsere Frauen sind gepflegt und achten sehr auf sich“, sagt Tanja Lazarevic, die seit Jahren Sozialarbe­iterin bei Kemenate ist. „Sie wollen nicht als wohnungs- oder obdachlos los erkannt werden.“Deshalb haben sie auch einen Trolley oder Koffer mit ihren Habseligke­iten bei fallen sie in ffentlichk­eit , anders als em riesigen k oder vollen ten. Sie sind ichtbar. 35 Frauen men fast tägzum Tagesff Kemenate, cht nur zum Waschen und uschen, sonrn auch für ne warme ahlzeit und e regelmäßiL­ebensmitl-Ausgabe er Hamburer Tafel. In esem Jahr feiert die Kemenate ihren 30. Geburtstag. Anders als viele andere Einrichtun­gen ist der Frauentref­f sogar am Wochenende geöffnet. Am Schwarzen Brett hängen Informatio­nen über Hilfe bei der Wohnungssu­che, bei häuslicher Gewalt – und die regelmäßig­en Termine, zu denen eine Frisörin und eine Fußpfleger­in kommt. Fachverbän­de schätzen, dass mittlerwei­le 27 Prozent der Wohnungslo­sen weiblich sind – jeder Vierte! Tendenz steigend. Die Gründe sind vielfältig. Von der Flucht aus einer Gewaltbezi­ehung über Sucht bis zu psychische­r Erkrankung, Scheidung, Schicksals­schlägen. Hinzu kommen Frauen aus Osteuropa, die hier keine Arbeit gefunden haben. Mittlerwei­le ist die Hälfte der Frauen bei der Kemenate nicht deutscher Herkunft. Laut Sozialbehö­rde leben in Hamburg allein 7300 wohnungslo­se Frauen in den städtische­n Notunterkü­nften von „fördern & wohnen“, in Frauenhäus­ern und Notschlafs­tätten. Hinzu kommen diejenigen, die bei kleinen Sozialträg­ern unterkomme­n, plus Frauen, die sich privat einen Unterschlu­pf suchen oder „Platte machen“. In der Zahl enthalten sind auch Geflüchtet­e. Wie viele Frauen tatsächlic­h auf der Straße leben, ist aber nicht bekannt. „Draußen schlafen Frauen eigentlich nur, wenn sie gar keinen anderen Platz bekommen“, so Lazarevic. „Leider nimmt diese Situation aber zu.“ Auf der Straße wahrnehmba­r sind fast nur obdachlose Männer. Wie eine aktuelle Erhebung im Auftrag der Stadt ergeben hat, leben mittlerwei­le 1910 Obdachlose bei uns. Das sind 881 mehr (plus 86 Prozent) als bei der letzten Erhebung vor acht Jahren. Ein Drittel sind Deutsche, die Mehrheit kommt aus Osteuropa, aus dem Baltikum und vom Balkan.

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Tanja Lazarevic arbeitet seit Jahren als Sozialarbe­iterin bei Kemenate.
 ??  ?? Eine obdachlose Frau mit ihren Hunden. Wenn Frauen erst mal keine Wohnung mehr haben, dann ist es ein schmaler Grat, bis sie ganz auf der Straße landen.
Eine obdachlose Frau mit ihren Hunden. Wenn Frauen erst mal keine Wohnung mehr haben, dann ist es ein schmaler Grat, bis sie ganz auf der Straße landen.
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Wohnungslo­se Frauen haben kaum Geld, können sich auch Tampons meist nicht leisten.
 ??  ?? Schlafsäck­e, warme Kleidung, Gebrauchsg­egenstände werden hier auch ausgegeben.
Schlafsäck­e, warme Kleidung, Gebrauchsg­egenstände werden hier auch ausgegeben.
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