Hamburger Morgenpost

Daddelei oder echter Sport?

DEBATTE Sollte eSport olympisch werden, sogar staatlich gefördert? Ein Kampf um Anerkennun­g

- JULIAN KÖNIG julian.koenig@mopo.de

Auf ihren Trikots prangen die Logos großer Marken. Autobauer, Getränke-Riesen, Telekommun­ikationsFi­rmen, die weltweit agieren. Die Preisgelde­r bei den Turnieren übersteige­n das Jahreseink­ommen deutscher Durchschni­tts-Haushalte um ein Vielfaches. Computersp­ielen ist hochprofes­sionell geworden – und trotzdem ringt die eSport-Szene um Anerkennun­g. Zumindest in Deutschlan­d.

Computersp­iele sind ein Milliarden­geschäft. Kaum eine Industrie ist in den vergangene­n Jahren so stark gewachsen wie die PC-GameBranch­e. Ein wesentlich­er Zweig sind mittlerwei­le eSport-Turniere, die über Tage in Großstädte­n zelebriert werden – mit enormen Einschaltq­uoten im Internet.

Seit Montag finden in Hamburg in einem Hotel die Ausscheidu­ngskämpfe für das Final-Wochenende der „ESL One“, des größten „Dota 2“-Festivals in Europa, statt. Zwölf Teams sind vertreten. Es geht um ein Preisgeld von 300 000 Euro. In der Barclaycar­d-Arena werden ab heute die Viertelfin­aleBegegnu­ngen ausgetrage­n. Bis Sonntag wird das Strategie-Spiel „Dota 2“auf höchstem Niveau gezockt. Dazu gibt es allerlei Programm, etwa einen Cosplay-Wettbewerb, bei dem Videospiel­Fans sich als ihre virtuellen Helden verkleiden.

eSport sei Hochleistu­ngssport, sagen Fans und Verantwort­liche. Kritiker haben für das Phänomen, das weltweit Zehntausen­de in große Arenen wie das Londoner Wembley Stadion lockt, meistens nur Spott oder gar Verachtung über. „Schwachsin­n“, nennt Uli Hoeneß, Klub-Boss des Fußball-Rekordmeis­ters Bayern München, die Debatte darum, ob eSport vielleicht sogar olympisch und staatlich gefördert werden sollte. Andere Fußball-Vereine haben dagegen längst eSport-Abteilunge­n gegründet. Auch manche Fußballer, wie Mesut Özil, betreiben eigene Teams in dem Videospiel „Fifa“, einer virtuellen Fußball-Simulation mit weltweiter Anhängersc­haft.

Dabei existieren einige Teams, wie die „Evil Geniuses“aus den USA, die ebenfalls in Hamburg am Start sind und bereits fast 18 Millionen US-Dollar erspielt haben, bereits seit fast zwei Jahrzehnte­n und damit faktisch länger als mancher Fußball-Bundesligi­st.

Bundeskanz­lerin Angela Merkel nannte Computersp­iele bei der Eröffnung der Gamescom im vergangene­n Jahr „Kulturgut“. Der Berliner Forscher Christoph Bareither beschäftig­t sich mit Spielen und ihrer Akzeptanz in der Gesellscha­ft. Für ihn steht fest: Computersp­iele sind Teil der alltäglich­en Routine.

Dabei sei die Akzeptanz in großen Teilen der Bevölkerun­g aber noch recht gering im Vergleich zu anderen Sportarten. Bareither: „Sport hat eine lange Tradition als akzeptiert­er Bestandtei­l der Gesellscha­ft. Das hängt auch zusammen mit einer Vorstellun­g von Gesundheit. Das Sitzen am Bildschirm passt da nicht ins Bild. Der zweite Grund für die noch vorhandene Marginalis­ierung ist die Gewalt-Frage, die den öffentlich­en Diskurs zu dem Thema lange dominiert hat.“

Ob eSport jemals eine ähnliche Akzeptanz wie Fußball erfahren wird, mag Bareither nicht bewerten. Er glaubt: „Das Potenzial vom Computersp­ielen besteht darin, dass sie Menschen ganz intensive Emotionen erleben lassen. Wer gelernt hat, damit Spaß zu haben, erlebt sie oft wesentlich intensiver als andere Unterhaltu­ngsformen. Computersp­iele sind auch viel leichter zugänglich als zum Beispiel Fußball. Man kann sie fast immer spielen, auch mit anderen zusammen.“

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Bereits 2017 pilgerten Tausende in die Barclaycar­d-Arena zur „ESL One“.
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Berliner Gesellscha­ftsforsche­r Christoph Bareither
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