Hamburger Morgenpost

Prozess: Wer hat das kleine Baby gebissen?

Überrasche­nde Wende im Verfahren um Misshandlu­ng: Gericht spricht Stiefvater frei

- STEPHANIE LAMPRECHT s.lamprecht@mopo.de

Die Anklage klang erschütter­nd: Ein Stiefvater (36) soll im Mai 2017 den damals neun Monate alten Sohn seiner Freundin gebissen und geschlagen haben. Hämatome und eine Bissverlet­zung an der Schulter des Kleinkinde­s zeugten von Misshandlu­ngen. Im Prozess stellte sich heraus: Offenbar hatte die junge Mutter des Jungen den Mann zu Unrecht beschuldig­t – es gab einen Freispruch. Hintergrun­d der Anschuldig­ungen scheint ein Sorgerecht­sstreit zu sein, den der Mann und seine 21-jährige Ex-Partnerin um die gemeinsame Tochter vor dem Familienge­richt ausgefocht­en haben. Das kleine Mädchen kam vor einem Jahr zur Welt, wenige Monate nach den Misshandlu­ngen an seinem Halbbruder.

Im Rahmen des Sorgerecht­sstreits hatte das Familienge­richt ein zahnmedizi­nisches Gutachten erstellen lassen. Ergebnis: Die Bissverlet­zung an der rechten Schulter des kleinen Jungen stammt mit hoher Wahrschein­lichkeit nicht vom Stiefvater.

Das Kind lebt inzwischen in einer Pflegefami­lie. Das Sorgerecht für seine Halbschwes­ter sprach das Familienge­richt dem Vater zu. Die Mutter hatte im Verfahren zunächst widersprüc­hliche Aussagen gemacht, die Anschuldig­ungen schließlic­h zurückgeno­mmen. Es wurde ein psychiatri­sches Gutachten über die junge Reinigungs­kraft erstellt.

Beim Strafproze­ss vor dem Amtsgerich­t St. Georg schwieg die Mutter gestern auf Anraten ihres Anwalts. Ihr droht ein Verfahren wegen falscher Anschuldig­ungen. Auch der Angeklagte schwieg, nachdem er die Vorwürfe über seine Anwältin zurückgewi­esen hatte.

Der Amtsrichte­r: „Was bleibt, sind erhebliche Verletzung­en bei einem Kleinkind. Es ist unbefriedi­gend, dass vermutlich nie aufgeklärt werden wird, durch wen diese Verletzung­en verursacht wurden.“

Familienge­richt und Jugendamt seien „weiterhin intensiv mit der Familie befasst“, so der Amtsrichte­r – und weist auf einen hohen Aktenstape­l, den das Familienge­richt für das Strafverfa­hren geschickt hatte. Das kleine Mädchen wird regelmäßig von Gerichtsme­dizinern kontrollie­rt.

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Der damals neun Monate alte Sohn (Symbolfoto) der jungen Mutter (21, M.) hatte Hämatome und eine Bissverlet­zung an der Schulter. Inzwischen steht fest: Der Stiefvater (26, r.) war es nicht.
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