Prozess: Wer hat das kleine Baby gebissen?
Überraschende Wende im Verfahren um Misshandlung: Gericht spricht Stiefvater frei
Die Anklage klang erschütternd: Ein Stiefvater (36) soll im Mai 2017 den damals neun Monate alten Sohn seiner Freundin gebissen und geschlagen haben. Hämatome und eine Bissverletzung an der Schulter des Kleinkindes zeugten von Misshandlungen. Im Prozess stellte sich heraus: Offenbar hatte die junge Mutter des Jungen den Mann zu Unrecht beschuldigt – es gab einen Freispruch. Hintergrund der Anschuldigungen scheint ein Sorgerechtsstreit zu sein, den der Mann und seine 21-jährige Ex-Partnerin um die gemeinsame Tochter vor dem Familiengericht ausgefochten haben. Das kleine Mädchen kam vor einem Jahr zur Welt, wenige Monate nach den Misshandlungen an seinem Halbbruder.
Im Rahmen des Sorgerechtsstreits hatte das Familiengericht ein zahnmedizinisches Gutachten erstellen lassen. Ergebnis: Die Bissverletzung an der rechten Schulter des kleinen Jungen stammt mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht vom Stiefvater.
Das Kind lebt inzwischen in einer Pflegefamilie. Das Sorgerecht für seine Halbschwester sprach das Familiengericht dem Vater zu. Die Mutter hatte im Verfahren zunächst widersprüchliche Aussagen gemacht, die Anschuldigungen schließlich zurückgenommen. Es wurde ein psychiatrisches Gutachten über die junge Reinigungskraft erstellt.
Beim Strafprozess vor dem Amtsgericht St. Georg schwieg die Mutter gestern auf Anraten ihres Anwalts. Ihr droht ein Verfahren wegen falscher Anschuldigungen. Auch der Angeklagte schwieg, nachdem er die Vorwürfe über seine Anwältin zurückgewiesen hatte.
Der Amtsrichter: „Was bleibt, sind erhebliche Verletzungen bei einem Kleinkind. Es ist unbefriedigend, dass vermutlich nie aufgeklärt werden wird, durch wen diese Verletzungen verursacht wurden.“
Familiengericht und Jugendamt seien „weiterhin intensiv mit der Familie befasst“, so der Amtsrichter – und weist auf einen hohen Aktenstapel, den das Familiengericht für das Strafverfahren geschickt hatte. Das kleine Mädchen wird regelmäßig von Gerichtsmedizinern kontrolliert.