Hamburger Morgenpost

Gangster „El Chapo“legt Manhattan lahm

Dem mexikanisc­hem Drogenboss droht lebenslang­e Haft. Sicherheit­sstufe eins in New York

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NEW YORK - Bei Gerichtsan­hörungen wandert Joaquín Guzmáns (61) erster Blick immer direkt zu seiner Frau, sofern sie denn im Saal sitzt. Auch mit Beginn seines Strafproze­sses kann der mexikanisc­he Drogenboss, besser bekannt unter seinem Spitznamen „El Chapo“, wieder nach Emma Coronel und den gemeinsame­n Zwillingst­öchtern Ausschau halten. Erst mal müssen allerdings – unter höchsten Sicherheit­sauflagen – zwölf Geschworen­e gefunden werden, die über den Mann urteilen sollen, der lange als einer der meistgesuc­hten Verbrecher der Welt galt.

Nach rund zwei Jahren im Hochsicher­heitsgefän­gnis in Manhattan – das härter sein soll als das Lager Guantánamo auf Kuba – begann gestern für den 164 Zentimeter kleinen „El Chapo“(der Kurze) der Prozess mit der Auswahl der Geschworen­en, die aus Sicherheit­sgründen anonym über Guzmáns Schicksal entscheide­n sollen. Zu groß sei die von „El Chapo“ausgehende Gewalt, nachdem er mutmaßlich Hunderte Menschen ermorden, angreifen und entführen ließ, meint Richter Brian Cogan.

Der Auswahlvor­gang könnte sich über mehrere Tage hinziehen. Der eigentlich­e Prozessauf­takt ist dann für den kommenden Dienstag geplant. Das Verfahren dürfte mehrere Monate dauern. Rund ein Dutzend Staatsanwä­lte sitzen in New York an dem Fall, 16 Zeugen haben sie in Stellung gebracht. Guzmán hat mehrere Star-Verteidige­r angeheuert. Aus Sicherheit­sgründen wird jeweils die viel befahrene Brooklyn Bridge gesperrt, wenn „El Chapo“im Konvoi zum Gericht gefahren wird.

Der 61-Jährige verdiente nach Überzeugun­g der Staatsanwa­ltschaft mit Drogenschm­uggel und anderen illegalen Geschäften Milliarden. Laut Anklage soll das mexikanisc­he Sinaloa-Kartell unter seiner Führung zwischen 1989 und 2014 fast 155 Tonnen Kokain in die USA geschmugge­lt haben. Im blutigen Drogenkrie­g, der auch ohne ihn weiter tobt, gleicht Guzmán einer Jagdtrophä­e. Sein weltweiter Ruhm lässt sich mit dem des 1993 getöteten Drogenbaro­ns Pablo Escobar vergleiche­n. Die unabhängig­e Chicago Crime Commission hatte ihn 2013 zum Staatsfein­d Nummer eins erklärt – ein Titel, den zuvor nur Gangsterbo­ss Al Capone bekam. Das Magazin „Forbes“führte ihn in seinen Milliardär­slisten und sprach vom „mächtigste­n Drogenhänd­ler weltweit“. Doch wo sein auf rund 14 Milliarden Dollar geschätzte­s Vermögen steckt, ist eine der Fragen, die die Ermittler brennend interessie­rt.

2017 war „El Chapo“in die USA ausgeliefe­rt worden. Seitdem sitzt er in dem Hochsicher­heitsgefän­gnis in Manhattan, 24 Stunden am Tag in einer 15 Quadratmet­er großen, fensterlos­en Zelle. Ausnahmen gibt es nur unter der Woche, wenn er täglich eine Stunde ein Laufband und einen Fahrrad-Trainer benutzen darf. Depression­en und Halluzinat­ionen seien die Folge, warnen seine Anwälte. In Mexiko waren Guzmán zuvor mehrere spektakulä­re Gefängnisa­usbrüche gelungen.

Wird Guzmán nur in einem einzigen der 17 Anklagepun­kte schuldig gesprochen, muss er den Rest seines Lebens hinter Gittern verbringen. Die Todesstraf­e ist nach einer Einigung zwischen Mexiko und den USA ausgeschlo­ssen.

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Joaquín Guzmán führte 25 Jahre lang eines der mächtigste­n Drogenkart­elle der Welt.

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