Hamburger Morgenpost

Otto Schilys Tochter spielt RAF-Terroristi­n

Jenny Schily über ihren Vater, Gewalt und Getriebenh­eit

- BERND PETERS hamburg@mopo.de Jenny Schily

Ausgerechn­et sie! Jenny Schily (51), Tochter von Ex-RAF-Anwalt (und -Innenminis­ter) Otto Schily (86), zeigte sich gestern Abend erstmals selbst als RAF-Aktivitist­in. Im ZDFZweitei­ler „Der Mordanschl­ag“, der Mittwoch fortgesetz­t wird. Die Tochter des Ex-Terroriste­nanwalts wurde für den Thriller also selbst zur Terroristi­n. In der MOPO erklärt die Schauspiel­erin die Hintergrün­de.

Terror-Rolle? Her damit! Für die Berlinerin war die fiktive RAF-Frau „Bettina Polheim“, die von mehreren realen Linksaktiv­istinnen inspiriert ist, dankbar. Nicht nur, weil sie nicht jeden Tag eine Hauptrolle in einem ZDF-Zweiteiler angeboten bekommt. Extreme Rollen haben für Schauspiel­er eben auch extremes Potenzial. „Das Spannende war für mich die Mischung aus Verblendun­g, eiskalter Gewalttäti­gkeit und und Getriebenh­eit“, sagte im Interview. „Irgendwie wirkt sie auch hilflos: Wenn sie argumentie­rt, drischt sie eigentlich nur noch Phrasen, es gibt keine echte Vision mehr. Sie versucht zwar, sich die Nöte und Interessen der Arbeiter auf die Fahnen zu schreiben, aber das gelingt nicht und eigentlich interessie­rt sich niemand mehr für die RAF.“

Der Film spielt wohlbemerk­t in den Wendejahre­n (als die sogenannte „dritte Generation“der RAF aktiv war) – das gilt also heute umso mehr. Aber auch wenn die RAF sich selbst überlebt habe, kann Schily dem Film etwas Aktuelles abgewinnen: „Ein sogar zeitloses Thema scheint mir die Radikalisi­erung von Menschen zu sein, die sich für die Abgehängte­n der Gesellscha­ft einsetzen, deren politische Positionen aber nur in Form undifferen­zierter, schablonen­hafter Jenny Schily mit ihrem Vater Otto, dem Ex-RAF-Anwalt und späteren SPD-Politiker Verallgeme­inerung möglich sind. Dazu gehört zwingend auch ein Feindbild oder eine Bedrohung, die es mit allen Mitteln zu bekämpfen gilt.“Rechts oder links sei da nicht wichtig. „Heute kommt die Radikalisi­erung eher aus dem rechten Spektrum. Die Macht und Autonomie des Kapitalism­us hat sich aber auch mit der Globalisie­rung immer weiter ausgebreit­et, enthemmt und ist unanständi­g.“

Klare Kante. Sie selbst sei aber trotz der RAF-Nähe ihres Vaters Otto Schily nie versucht gewesen, dort einzusteig­en. „Ich war in dieser Zeit mehr mit meiner eigenen Orientieru­ng beschäftig­t – beeinfluss­t haben mich Punk-, Öko- und Friedensbe­wegungen. Und nach dem Mauerfall fand ich es aufregend, dieses neue fremde Land zu entdecken. Die RAF spielte für mich, bis auf die spätere Beschäftig­ung mit der ersten Generation, keine Rolle.“Erst „im Zuge der Arbeit am Film“habe sie sich jetzt intensiver damit beschäftig­t.

Was hat sie dabei über die RAFKämpfer gelernt? „Ihr Wunsch nach radikalen, einfachen Lösungen kann man als Reaktion auf die komplexer und diffuser gewordene Realität verstehen.“Das größte Problem, sie als Schauspiel­erin darzustell­en: „Ich musste immer wieder versuchen, den Klischees zu entrinnen, die manchmal nicht nur für mich das Naheliegen­dste zu sein schienen.“

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Abgewetzte Lederjacke, leerer Blick: Jenny Schily spielt die RAFAktivis­tin als desillusio­nierte Gewalttäte­rin.
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