Kein guter Tag für Amerika
Die Demokraten gewinnen zwar die Mehrheit im USKongress. Doch im Senat triumphiert Trump – dank 33 Millionen Wählern, die seine Hass- und LügenPolitik unterstützen
„Die wohl wichtigsten Wahlen meiner Lebenszeit“hatte Barack Obama die Abstimmung über die Zusammensetzung des US-Parlaments genannt, „es geht um den Charakter unseres Landes.“Präsident Trump hängte die Messlatte ebenfalls so hoch wie möglich: „Stellt euch einfach vor, mein Name stünde auf dem Wahlschein.“Genau das, so viel steht fest, haben die Amerikaner sich vorgestellt. Und deswegen ist das Ergebnis dieser Wahlen so bestürzend.
Sicher: Die Demokraten haben im Kongress die Mehrheit im Repräsentantenhaus gewonnen und gezeigt, dass sie doch noch siegen können. Natürlich: Sie werden Trump das Regieren jetzt schwerer machen, ihn piesacken, die unsinnigsten seiner Gesetze blockieren, ihn zwingen, seine Steuererklärung endlich zu veröffentlichen. Und ja: Die außergewöhnlich hohe Wahlbeteiligung hat gezeigt, dass Amerikas Demokratie funktioniert, indem sie diesem Präsidenten die Grenzen seiner Macht aufgezeigt hat. ABER. Und das ist leider ein sehr großes, hässliches und ernüchterndes Aber: Das Resultat dieser Wahlen zeigt auch, dass Donald Trump als Präsident der Vereinigten Staaten kein f üchtiges Übergangsphänomen ist, kein zynischer Treppenwitz der Geschichte, kein Albtraum, aus dem das Land endlich erwacht ist.
Die landesweite Welle des Widerspruchs, der erhoffte „blaue Tsunami“blieb aus. Trump steht nicht isoliert und als schlechtester Präsident aller Zeiten abgestraft im Abseits. Nach zwei furchtbaren Jahren mit diesem Mann im Weißen Haus, nach zwei Jahren voller Lügen, ätzendem Hass, stümperhafter Politik, offenem Rassismus, schamlosem Sexismus und dummdreister Verachtung fast aller demokratischer Prinzipien sagen etliche Millionen Amerikaner: Yes! Weiter so! Bitte mehr davon!
Trump ist es tatsächlich gelungen, massenhaft Wähler zu mobilisieren. Und zwar nicht nur diejenigen, die ein Zeichen gegen ihn setzen wollten, sondern auch einen Großteil seiner Anhänger. Das absurde US-Wahlrecht spielte ihm dabei wie schon 2016 in die Karten: 44 Millionen Amerikaner stimmten für die Demokraten, 33 Millionen für die Republikaner–dochdiegewannen im Senat zwei Sitze dazu und haben dort jetzt eine stabile Mehrheit. Für Trump heißt das: Er kann sein Kabinett weiter nach Belieben umbauen, den Zuschnitt von Wahlkreisen noch mehr manipulieren, Richter sowohl für die Bundesgerichte als auch für das Verfassungsgericht durchsetzen – und damit die Zukunft der USA auf Jahrzehnte bestimmen.
Amerika erscheint nach diesen Wahlen noch zerrissener, noch unversöhnlicher gespalten. In die urbanen Zentren an Ost- und Westküste, wo eine Mehrheit Trump zutiefst ablehnt. Und in die großen Regionen dazwischen, den „Bible Belt“, den „Rust Belt“oder den „Corn Belt“, wo überwiegend weiße und bildungsferne männliche Wähler den Milliardär als einen von ihnen verehren. In den Vororten der Städte, bei jungen und weiblichen Wählern hat Trump verloren, auf dem Land dagegen dazugewonnen. Für die nächsten zwei Jahre verspricht das nichts Gutes. Der unberechenbare Prahlhans wird seine Politik der verbrannten Erde fortsetzen – er betrachtet die Zwischenwahlen schließlich als „großartigen Erfolg“. Und es stimmt ja auch: Die Basis seiner Wähler trägt den Extremismus mit. Einwanderer als Schwerkriminelle darzustellen und Demokraten als putschwillige Kommunisten – das waren im Wahlkampf vom Team Trump keine Exzesse, sondern Alltag.
Der Präsident wird dieses Votum als Aufforderung verstehen, genau so weiterzumachen. Er wird den Kongress als Feindbild diskreditieren und attackieren, er wird versuchen, den lästigen Sonderermittler Robert Mueller mit allen Mitteln loszuwerden.
Und – das ist das zutiefst beunruhigende Szenario nach diesen Midterm-Elections – Trump wird bei den Präsidentschaftswahlen 2020 mit schmutzigen Tricks und der Gewissheit antreten: Auf meine Anhänger ist Verlass.
Trump wird dieses Votum als Aufforderung verstehen, genau so weiterzumachen.