„Für solche Momente lebe ich“
Der Holländer liebt die Rolle als Vorsänger – weil er früher selbst ein Fan war. In der MOPO verrät er, wie sich die Mannschaft von Titz verabschiedete
Er ist nicht mehr aus der Startelf des HSV wegzudenken. Mit nur 19 Jahren ist Rick van Drongelen unverzichtbar geworden, der Niederländer gibt den Takt in der Defensive vor – und nicht nur da: Zuletzt bewies van Drongelen auch seine Qualitäten als FanEinpeitscher. In der MOPO spricht er über Glücksgefühle, Gesänge und seine Gedanken rund um den Trainerwechsel.
MOPO: Herr van Drongelen, Ihr Kollege Pierre-Michel Lasogga sagte nach dem Sieg gegen Köln, der HSV wolle jetzt immer oben bleiben und man sei froh, wenn die Saison dann zu Ende ist. Freuen Sie sich schon auf die Bundesliga? Rick van Drongelen: Moment, so schnell geht das nicht. Das wissen wir auch alle. Bis dahin müssen wir noch sehr viele Siege einfahren. Und so hat es Lasso auch ganz sicher gemeint. Die Kunst ist nicht, zu Hause ein Spiel gegen ein Top-Team wie Köln zu gewinnen. Das war natürlich schwer, aber es war sowieso jeder heiß auf dieses Spiel. Die viel größere Kunst ist es, das nun in Aue zu bestätigen. Dort ist alles kleiner, es ist zumindest auf dem Papier kein Topspiel. Und dennoch müssen wir wieder Mentalität zeigen und alles raushauen.
Dennoch: Der Sieg gegen Köln wurde besonders euphorisch gefeiert. Und plötzlich standen Sie als Einpeitscher vor der Kurve. Ja, das hat sich so entwickelt. Wir Spieler standen nach dem Spiel alle dort und dann habe ich gefragt, ob ich das Megafon nehmen darf. Ich durfte. Und dann ging es richtig ab: „Scha-la-la-la-la-la-laaa, hey HSV!“Erst ganz ruhig, dann hüpfen alle. Das war wirklich ein toller Tag, das ganze Spiel, der Sieg, das Feiern danach. Wir haben unseren Fans die Tabellenführung geschenkt und sie sehr glücklich gemacht. Für solche Momente lebe ich. Also hätten Sie nichts gegen ein Comeback am Megafon.
Nein. Aber vor allem steht die Arbeit. Danach können wir feiern.
Die meisten der Hardcore-Fans sind kaum älter als Sie mit Ihren 19 Jahren. Sie wurden schon sehr früh Profi. Konnten Sie eigentlich selbst jemals richtig Fan sein?
Oh ja, das konnte ich – und wie!
Für welchen Klub schlug Ihr Herz?
Mein Verein war immer Ajax Amsterdam. Ich bin mit meinem Vater ganz oft im Stadion gewesen. Meistens sind wir sehr, sehr früh ins Stadion gefahren, Stunden vorm Anpfiff, weil die Fans dann schon immer ihre Choreos vorbereitet haben. Das hat mich schon immer begeistert.
War der kleine Rick ein ruhiger oder lauter Zuschauer?
Ich war sehr enthusiastisch und fasziniert. Und es gab unglaubliche Momente. 2011, da war ich zwölf Jahre alt, war ich im Stadion, als Ajax sich im letzten Spiel gegen Twente Enschede noch den Meistertitel geholt hat. Da war was los, das vergesse ich nie.
Im Sommer buhlte Ajax um Ihre Gunst. War es für Sie gar kein Thema, dem Lockruf zu folgen?
Ajax hatte Kontakt mit meinem Berater. Das lief ganz seriös ab. Aber für mich war es niemals ein Thema, den HSV zu verlassen. Vielleicht hätten sie mich sowieso nicht gehen lassen (lacht).
Aber Ajax spielt in der Champions League. Warum wollten Sie trotz des Abstiegs beim HSV bleiben?
Weil es das Wichtigste für einen jungen Spieler ist, dass er viel spielt. Und diese Chance sah und sehe ich beim HSV. Dieser Verein ist genau der richtige für mich. Davon war ich immer überzeugt.
Sie sind in der Abwehrmitte gesetzt, Ihre Partner aber wechseln. Was ist der Unterschied zwischen David Bates und Léo Lacroix?
Da gibt es nur einen: Léo ist größer. Das macht es für mich manchmal einfacher, denn wenn ein langer Ball kommt, ist klar, wer von uns den Kopf hinhält (lacht). Aber ansonsten sind sich Léo und David sehr ähnlich, ich spiele mit beiden gerne zusammen.
Vor zwei Wochen mussten Sie sich auch an einen neuen Trainer gewöhnen. Was ist unter Hannes Wolf anders?
Vielleicht spielen wir jetzt etwas klarer. Das heißt nicht, dass es unter Christian Titz schlechter war – nur eben anders. Manchmal vielleicht etwas komplexer. Die Spielweise vorher war auch gut, aber manchmal schwieriger konstant umzusetzen, weil es eben Geduld und Zeit braucht. Und nun trifft auch Pierre-Michel Lasogga wieder, das hilft natürlich. 85 Minuten lang hat er keine richtige Chance und dann schiebt er den Ball rein. Auch das ist eine große Qualität.
Ajax hatte Kontakt mit meinem Berater. Aber für mich war es nie Thema, den HSV zu verlassen.
Rick van Drongelen
Worauf legt Wolf wert?
Er verlangt, dass wir defensiv sehr stabil stehen. Das funktioniert gut. Und ganz wichtig: Er will sehen, dass wir unsere Verantwortung auf dem Platz mit voller Leidenschaft annehmen.
Der Trainerwechsel kam sehr plötzlich. Haben Sie sich von Titz verabschieden können? Es ging so schnell, dass ein Treffen nicht möglich war. Wir haben dann als Mannschaft überlegt, was wir machen können und Christian alle zusammen geschrieben. Er hat dann sehr persönlich und mit schönen Worten geantwortet. Wir haben ausgemacht, dass wir Spieler ihn auf jeden Fall noch mal zu Hause besuchen können.
Am Sonnabend geht es für Sie erstmal nach Aue. Spüren Sie als Tabellenführer einen größeren Druck, als wenn Sie selbst der Jäger sind? Nein. Und ich kann mit Druck sowieso gut umgehen. Das war auch gegen Köln so. Tagelang war dieses Spiel im Kopf, immer nur: Köln, Topspiel, volles Stadion! Alle haben dich darauf angesprochen. Aber ich denke mir immer: Ich habe so hart dafür gearbeitet, Fußballprofi zu werden. Für all das, was ich jetzt erlebe. Und so schaffe ich es, den Druck in Freude umzuwandeln.
Sie haben Ihre Karriere erst noch vor sich, Ihr Landsmann Rafael van der Vaart hat Sie nun beendet. Wie denken Sie über ihn?
Ich war ein großer Fan von ihm, er hat sehr viele schöne Spiele für Ajax, den HSV und das Nationalteam gemacht. Spieler wie ihn sieht die Welt nicht oft. Er hat so viel Gefühl im Fuß, du wusstest als Gegner nie, was dich erwartet. So eine Karriere, wie Rafa sie hatte, ist ein Traum.