Mord und Totschlag statt „Tagesthemen“
Moderator Ingo Zamperoni nimmt in NDR-Sendung umstrittene Gerichtsurteile unter die Lupe
Als Student fand Ingo Zamperoni Jura eher langweilig. Jetzt nimmt der beliebte „Tagesthemen“-Moderator umstrittene Gerichtsurteile unter die Lupe. Nächste Woche fragt der 44-Jährige im NDR Fernsehen: „Das soll Recht sein?“
Eine Frau wird 15 Jahre lang von ihrem Mann gequält. Sie wird erniedrigt, als Sklavin behandelt und mehrmals krankenhausreif geschlagen. Irgendwann greift sie zur Waffe, erschießt ihren Mann. Vor Gericht wird sie wegen heimtückischen Mordes verurteilt: neun Jahre Knast!
„Der Fall ist spannend, denn er zeigt, dass nicht alles, was gesetzlich rechtens ist, gesellschaftlich auch als richtig gesehen wird“, sagt Ingo Zamperoni. Schließlich bekommen Frauen, die ihre Männer töten, häufig deutlich höhere Gefängnisstrafen als andersherum, weil sie aufgrund ihrer körperlichen Unterlegenheit „vorsätzlich“handeln. Männern dagegen, die ihre Frauen durch brachiale Gewalteinwirkung töten, wird von den Gerichten oft ein „Totschlag im Af- fekt“zugestanden, was eine niedrigere Strafe nach sich zieht.
Zamperoni erzählt diesen Fall und zwei weitere von Montag bis Mittwoch um 22 Uhr mit Doku-Elementen, alten Fotos und Interviews mit ehemaligen Beteiligten nach und bespricht die Frage von Recht und Gerechtigkeit mit vier erfahrenen Schöffen.
Dabei gehe es nicht darum, die Urteile anzuzweifeln, betont Zamperoni. „Es ist gut, dass wir in einem Rechtsstaat leben, in dem es Grundsätze gibt, die losgelöst sind von der subjektiven gesellschaftlichen Meinung“, sagt der Moderator. „Das Gesetz ist ja nicht schwarz-weiß, sondern kann von Anklage und Verteidigung unterschiedlich ausgelegt werden.“
Für die Sendung, die Teil der ARD Themenwoche „Gerechtigkeit“ist, wurden bewusst drei Kriminalfälle aus den 80er und 90er Jahren gewählt, die ihre eigene Dynamik durch die Instanzen entwickelten.
So wurde das Urteil gegen die Frau, die ihren Mann tötete, vom Bundesgerichtshof kassiert. Der Frau wurde der „entschuldigende Notstand“zugestanden. Heißt: Wer keine andere Möglichkeit sieht, sich oder das Leben seiner Liebsten zu schützen, der geht straffrei aus. Die Frau kam frei.