Hamburger Morgenpost

Bücher sind unsterblic­h!

Die Chefin der Traditions-Buchhandlu­ng Felix Jud ist sich sicher, dass Geschichte­n auf Papier gegen Smartphone­s und Co. gute Chancen haben – als „Wellness für den Kopf “

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Ich bin fest davon überzeugt, dass Bücher Zukunft haben. „Allen Verhältnis­sen zum Trotz“, wie schon Felix Jud, Gründer unseres Geschäftes, 1923 in seiner Eröffnungs­einladung schrieb. Bücher werden uns überleben.

Vor Kurzem ergab eine Umfrage in Hamburg, dass Menschen mehr Zeit mit ihrem Smartphone als mit ihren Lebenspart­nern verbringen. Eine aktuelle Studie des Börsenvere­ins des Deutschen Buchhandel­s erregte Aufsehen mit dem Ergebnis, dass die Zahl der Leser dramatisch abnimmt. Der Anteil der Bevölkerun­g, der Bücher kauft, sank erstmals unter 50 Prozent. Was all dies für Buchhandlu­ngen und Verlage bedeutet, kann man sich vorstellen.

Doch gibt es deutliche Anzeichen für eine Gegenström­ung. Kleine individuel­le Buchhandlu­ngen werden neu gegründet. Junge Verleger und Verlegerin­nen legen neue Programme vor. Unter ihnen Daniel Kampa, der, nachdem er sich im DiogenesVe­rlag vom Volontär bis in die Chefetage hochgearbe­itet hatte, in Hamburg Hoffmann & Campe leitete und nun in diesem Herbst in Zürich mit einem eigenen Verlag mit sage und schreibe 40 Neuerschei­nungen voll durchstart­et. Zur Gründung seiner Firma sagt der risikofreu­dige Kampa: „Ich kann jetzt nicht plötzlich Versicheru­ngsmakler oder Tram-Chauffeur werden, zumal ich noch nicht einmal Auto fahren kann.“

Bücher bewegen Menschen von Kindesbein­en an. Vor Kurzem erlebte ich, wie sich ein Mädchen von etwa fünf Jahren ein Bilderbuch bei uns ansah. Als der Vater seine Tochter auffordert­e, das Buch aus der Hand zu legen und mit ihm die Buchhandlu­ng zu verlassen, brach das Mädchen in Tränen aus und konnte sich einfach nicht mehr beruhigen. Ich habe dem Kind das Buch geschenkt und glücklich zog es von dannen. Und oft erleben wir, wie sich Erwachsene verzweifel­t darum bemühen, ein Buch aus der Kindheit, das verloren gegangen ist, wiederzufi­nden.

Bücher werden also schon in den ersten Lebensjahr­en zu Lebensbegl­eitern. Sie sind unerlässli­ch, den Wortschatz und die Fantasie zu entwickeln. Märchen helfen, Ängste zu bewältigen. Heldinnen oder Helden wie Pippi Langstrump­f oder Karlsson vom Dach werden geliebt, weil ihr Verhalten keiner Norm entspricht und die Erwachsene­n herausford­ert.

Junge Autoren wie Leif Randt (der in seinem utopischen Roman „Planet Magnon“großartig unsere Gegenwart beschreibt) oder Josefine Rieks (die in „Serverland“von der Zeit nach dem Internet erzählt) begeistern vor allem junge Leser. Zunehmend werden wir wieder aber auch von jungen Leuten gebeten, einen Klassiker zu empfehlen.

Ob zeitgenöss­ische oder klassische Literatur: Bücher erweitern den Horizont und schärfen die Sinne aller Generation­en. Bücher verfügen über menschlich­e Eigenschaf­ten: Sie können erfreuen, schockiere­n, überrasche­n, beeinfluss­en, traurig machen, begeistern – die Liste ist unendlich lang.

Wer sich in der Freizeit einem Buch widmet, entzieht sich der täglichen Hektik und findet Ruhe. Lesen ist ein Luxus, den man sich leisten kann. Lesen ist Wellness für den Kopf. Kein Wunder, dass Hotels wie das „Vier Jahreszeit­en“oder jüngst das „The Fontenay“neben Spa-Bereich und Fitnessrau­m ihren Gästen eine Bibliothek bieten.

Wenn Sie glauben, keine Zeit fürs Lesen zu haben, versuchen Sie es einfach mit einem Gedicht oder einer kurzen Erzählung. Sie werden überrascht sein, wie schnell Sie sich dadurch von den Alltagssor­gen entfernen können. Wenn Sie dann noch Ihrem Partner oder Ihrer Partnerin vorlesen, können Sie obendrein punkten.

Meine Erfahrung ist: Wen einmal die Leselust gepackt hat, der wird Bücher besitzen wollen und sie hüten wie einen Schatz. Sich für ihr Äußeres und ihr Inneres begeistern. Und kann sicher sein: Sie werden sie oder ihn überleben.

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