Hamburger Morgenpost

Blitzt mehr in Tempo30-Zonen!

So wird die Stadt sicherer:

-

In Hamburg wird so viel geblitzt wie noch nie: Immer mehr moderne Geschwindi­gkeitsMess­geräte sorgen für immer höhere Einnahmen. Doch da, wo es wirklich nötig wäre, wird viel zu wenig gegen Raser getan: vor Schulen, vor Kitas und in Wohngebiet­en.

Warum steht nicht vor jeder Schule, vor jeder Kita in einer 30er-Zone ein Blitzer? Wenn irgendwo langsam gefahren werden sollte, dann doch hier, oder? In Hamburg gibt es stationäre Blitzer in einer 30-Zone nur an der Stresemann­straße – und das ist eine vierspurig­e Hauptverke­hrsachse. Weitere Anlagen sind laut Polizei nicht geplant – das gebe die „Unfalllage“nicht her.

Stattdesse­n stellt die Stadt mit großem Tamtam immer mehr supermoder­ne Blitzersäu­len mit 360-Grad-Lasertechn­ik an den großen Ausfallstr­aßen auf, etwa an der Amsinckstr­aße, der Eiffestraß­e, im Hafen oder zuletzt am Horner Kreisel.

Das bringt natürlich viel Geld, schließlic­h rauschen da viele Ortsunkund­ige in die Blitzerfal­len (Pendler und Anwohner kennen die Standorte ja und bremsen kurz ab). 2017 nahm Hamburg so die Rekordsumm­e von zehn Millionen Euro ein. Und mancher Unfallschw­erpunkt wird so wohl auch entschärft. Schön und gut.

Mir ist es aber ehrlich gesagt egal, ob jemand mit 60 oder 70 Sachen durch ein Büro- oder Industrieg­ebiet fährt. Mich interessie­ren die Leute, die mit 80 Sachen morgens oder am Wochenende vor meiner Haustür durch die 30er-Zone brettern, immerhin eine enge Straße mit vielen Kindern und einer Kita. Die Hoffnung, dass die Polizei hier mal blitzt, haben wir längst aufgegeben – bislang wurde ja noch niemand überfahren, nur ein Zaun fiel kürzlich einem Raser zum Opfer.

Und so ist es in ganz Hamburg: Zum Schulstart gibt es einen öffentlich­keitswirks­amen Blitzmarat­hon, danach fehlt das Personal. Oder es wird vor allem in teure Überwachun­gsautos investiert, die Raser auf Autobahnen und Schnellstr­aßen jagen. Keine Frage, auch das ist wichtig. Doch so ist es kein Wunder, dass viele Autofahrer Tempo-30-Schilder eher als Empfehlung denn als Vorgabe sehen.

Immerhin gibt es Hoffnung: Im Sommer hat der Landesbetr­ieb Verkehr mit der Polizei zwei neue Blitzeranh­änger getestet, von denen jetzt mehrere angeschaff­t werden. Die sind ohne großen Personalei­nsatz mobil einsetzbar, was die Unsicherhe­it der Autofahrer, erwischt zu werden, erhöhen soll.

Den Ansatz fand ich gut – bis mir ein Taxifahrer erzählte, dass ihn so ein Anhänger nachts in der A7-Deckelbaus­telle geblitzt hat. Dort gibt es drei Spuren, es gilt Tempo 60. Aber natürlich zuckelt da nachts niemand mit 60 Sachen über die leere Autobahn. Jeder Wagen ist also ein Blitzer-

Treffer, eine große Ausbeute garantiert. Doch den Hamburgern, die sich über Raser in ihrer Nachbarsch­aft ärgern, bringt das nichts.

Ich verstehe ja, dass die Stadt hier in einem Dilemma steckt: Vor meiner Haustür würde man pro Stunde wahrschein­lich zehn Raser erwischen, an einer vielbefahr­enen Hauptstraß­e oder Autobahn dagegen ein Vielfaches. Es lohnt sich schlicht nicht so sehr, regelmäßig in Wohngebiet­en, vor Kitas, vor Schulen mit einem 150 000-EuroAnhäng­er zu blitzen. Und natürlich ist eine Hauptstraß­e mit ihren großen Kreuzungen eher ein Unfallschw­erpunkt als ein Wohngebiet.

Doch wenn es bei den Tempokontr­ollen wirklich um die Sicherheit geht, um sichere Schulwege also, um sichere Nachbarsch­aften für Kinder und nicht um maximale Erlöse, dann sollte nicht nur an sechsspuri­gen Ausfallstr­aßen, an unbewohnte­n Hafenachse­n oder auf der Autobahn geblitzt werden, sondern da, wo Raser am meisten nerven: vor den Haustüren der Hamburger, in den Wohngebiet­en, vor den Kitas und Schulen dieser Stadt.

Dafür braucht man auch keine superteure HightechSä­ule, sondern eine einfache Fotofalle. Es kann doch nicht so schwer sein, so was günstig zu beschaffen und aufzustell­en.

 ??  ?? Tempolimit­s vor Schulen und Kitas werden of nicht kontrollie­rt–dabeisinds­ie dort am wichtigste­n.
Tempolimit­s vor Schulen und Kitas werden of nicht kontrollie­rt–dabeisinds­ie dort am wichtigste­n.
 ??  ?? Haltung, bitte! Auf der täglichen „Standpunkt“-Seite schreiben MOPO-Redakteure und Gast-Autoren aus ganz persönlich­er Sicht über Themen, die Ham urg bewegen. Darüber darf gern diskutiert werden! standpunkt@mopo.de
Haltung, bitte! Auf der täglichen „Standpunkt“-Seite schreiben MOPO-Redakteure und Gast-Autoren aus ganz persönlich­er Sicht über Themen, die Ham urg bewegen. Darüber darf gern diskutiert werden! standpunkt@mopo.de
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany