RentnerAufstand gegen Versicherung
Es geht um Millionen: Warum 900 wütende Ex-Mitarbeiter den Großkonzern verklagen
„Keine Sorge, Volksfürsorge“– ein Slogan, der noch bei vielen nostalgische Gefühle auslösen dürfte. Ganz andere Emotionen schlagen derzeit bei 5000 ExMitarbeitern hoch, wenn sie an die „gute alte Zeit“denken: Denn seit der Hamburger Versicherungskonzern von der italienischen Generali geschluckt wurde, müssen sie um ihre Betriebsrente kämpfen.
Rentner, die gegen ihren Arbeitgeber zu Felde ziehen, das gibt’s nicht alle Tage. Gestern versammeln sich 350 Betroffene im HofbräuWirtshaus am Speersort – und machen gegen die Generali mobil. „Verarschung!“, „Sauerei!“, „Schweinerei!“– viele Schimpfworte fallen. Keiner der Versammelten will sich kampflos um die Früchte seiner Arbeit bringen lassen: Klaus Recke zum Beispiel (72), ehemaliger Versicherungsmathematiker und 34 Jahre lang Mitarbeiter der Volksfürsorge, sagt: „Wir haben Anspruch auf unsere volle Betriebsrente.“Rainer Hermann (72), einst im Vertrieb tätig, erinnert daran, dass es sich nicht um ein Geschenk handelt: „Wir haben ja Beiträge gezahlt.“
In der Versammlung berichtet Rechtsanwalt Christoph Welscher den Versammelten, dass die ersten Mitarbeiter vor Gericht rechtskräftig gewonnen haben und im Januar mit Geldzahlungen von der Generali rechnen dürfen. Meist geht es um Nachzahlungen in Höhe von 3500 bis 6000 Euro. Diejenigen, die bisher nicht geklagt haben, warnt Welscher, dass die Verjährung näher rückt. „Seit sich herumgesprochen hat, dass ein Teil der Ansprüche Ende 2018 verfällt“, so der Anwalt zur MOPO, „kommen wöchentlich zwei, drei neue Mandanten hinzu.“
Von 5000 Betroffenen haben bisher 900 die Generali verklagt. Da der Konzern den Rechtsweg voll ausschöpft, zieht sich der Streit in die Länge. Derzeit muss sich daher nach etlichen Arbeitsund Landesarbeitsgerichten auch das Bundesarbeitsgericht (BAG) mit der Thematik befassen. In einigen Fällen hat die Generali auch dort bereits verloren. In einigen Fällen verwies das BAG die Verfahren an die vorige Instanz zurück.
Und darum geht es beim Streit: Laut Vertrag haben die Ex-Volksfürsorge-Mitarbeiter Anspruch darauf, dass ihre Betriebsrente im gleichen Umfang steigt wie die gesetzliche Rente: Doch statt den Ruheständlern 2015 und 2016 2,1 bzw. 4,6 Prozent mehr auszuzahlen, begrenzte die Generali die Erhöhung auf je 0,5 Prozent und sparte Millionen Euro. Das rechtfertigt die Firma mit der schwierigen wirtschaftlichen Lage. Doch das Unternehmen ist der drittgrößte Versicherungskonzern Europas und machte zuletzt Milliardengewinne.