Hamburger Morgenpost

Warum Pelz verboten gehört

Derzeit sterben so viele Pelztiere wir noch nie – und es werden jedes Jahr mehr. Das zeigt: Aufklärung­skampagnen allein bringen nichts

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Mit Pelz ist es ja wie mit vielen anderen Missstände­n, die die Menschheit so vor sich herschiebt: Das Problem sind nicht die wenigen CharityTru­llas aus der Hochf nanz, die im teuren Nerzmantel durch Kitzbühel stapfen. Nein. Das Problem sind die vielen Gleichgült­igen, die es nicht interessie­rt, ob das Gepuschel an der Kapuze ihrer Winterjack­e künstlich hergestell­t wurde oder mal ein Marderhund war. Die Billigpelz-Käufer sind es, die die Zahl der getöteten Pelztiere jedes Jahr auf neue Rekordhöhe­n treiben. Gegen die Ignoranz der Kunden und den Lobbyismus der Pelzindust­rie helfen nur Verbote.

Nein, es ist nicht in Ordnung, anderen etwas zu verbieten, nur weil es einem nicht ins Weltbild passt. Männer haben Frauen lange verboten zu wählen. Oder ihr eigenes Geld zu verdienen. Oder nach der Hochzeit ihren Namen zu behalten. Konservati­ve haben es Homosexuel­len bis vor Kurzem verboten zu heiraten. Alles Geschichte, glückliche­rweise.

Manchmal aber sind Verbote auch ein Zeichen des Fortschrit­ts. Früher durften Eltern ihre Kinder schlagen, Männer ihre Ehefrauen vergewalti­gen. Oma trug noch „Persianer“, das Fell ungeborene­r Lämmer, und Handtasche­n aus Krokodille­der. Alles verboten inzwischen, weil die Gesellscha­ft abgewogen hat und zu dem Schluss gekommen ist: Es spricht mehr für ein Verbot als dagegen.

Und so ist es auch mit dem Pelz. Wer wissen will, was gegen ein Verbot spricht, muss nur mal die europäisch­e Pelzlobby Fur Europe fragen. Die erklären auf ihrer Webseite, dass sie sich dem Artenschut­z verpf ichtet fühlen und ein Fuchs, der im Käfig geboren ist, sich nicht daran stört, dass er sein kurzes Leben bis zur „Ernte“(auf „Farmen“wird halt „geerntet“) auf einem Drahtboden, kaum größer als er selbst, verbringt. Aufeinande­rgestapelt mit Artgenosse­n. Er weiß ja nicht, dass er von Natur aus Höhlen gräbt, darum vermisst er das auch nicht. Wird mit ernster Miene von einem „Experten“in einem Video erklärt.

Das Hauptargum­ent der Pelz-Lobby ist jedoch, dass Menschen schon immer Pelz getragen haben. „Das war schon immer so“ist aber eines der schwächste­n Argumente überhaupt. Menschen sind auch lange ohne Gurt Auto gefahren und haben in Restaurant­s geraucht. Jetzt dürfen sie das nicht mehr und haben’s überlebt. Es gibt einfach keinen Grund, Pelz zu tragen. Kein Mensch muss erfrieren, wenn er keinen Pelz kauft. Ich würde sogar kühn behaupten: Der Verlust an Lebensqual­ität durch den Verzicht auf Echtpelz ist gleich null. Das unterschei­det den Fuchskrage­n von SUVs, Billigf eisch und Kapselkaff­ee, die ja in den Augen vieler Menschen unverzicht­bar sind.

„Aber!“, ruft die Pelzlobby dazwischen, „Pelz ist ein nachhaltig­es Naturprodu­kt! Und aus Kunstfell wird Plastikmül­l!“Und dann verweisen sie auf Omas Nerzmantel, der von Generation zu Generation vererbt werden kann. Ja, ja, kann sein. Aber die meisten der jährlich gehäuteten 87 Millionen Pelztiere weltweit landen an Jacken und Mützen, die jedes Jahr neu gekauft werden.

Ein Fellkragen, der in China einem Waschbären oder Marderhund vom Leib gezogen wurde, ist billiger als nachgemach­ter Pelz. Diese obszönen Wegwerf-Accessoire­s jagen die Zahl der getöteten Pelztiere auch in Europa jedes Jahr auf neue Rekordhöhe­n, wie Fur Europe erfreut verkündet: 2005 lag die Zahl der Felle bei rund 25 Millionen, 2014 bei fast 44 Millionen. Allein in Europa.

All die Auf lärungskam­pagnen haben nichts gebracht. Im Gegenteil: Selbst Kunden mit Herz haben keine Chance, weil die Industrie sich erfolgreic­h gegen eine Kennzeichn­ungspf icht wehrt. Also: Ein Pelzverbot muss her.

Die Forderung ist gar nicht so abwegig: In diesem Jahr hat San Francisco ein Verkaufsve­rbot für Pelz in allen Geschäften erlassen. Und das norwegisch­e Parlament hat beschlosse­n, dass bis 2025 alle 300 Pelztierfa­rmen geschlosse­n werden müssen. Die Welt ein bisschen besser machen – müheloser als durch den Verzicht auf Pelz geht es nicht.

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Ein Model bei einer Modenschau: Jährlich werden 87 Millionen Tiere für die Modeindust­rie gehäutet.
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aarderhund­e werden zu aillionen für Kapuzen und Kragen getötet.

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