So gehen Hamburgs Lehrer mit Antisemitismus um
Schulsenator Ties Rabe (SPD) stellt Unterrichtsmaterialien aus Israel vor. Die sollen bei der Bekämpfung von Vorurteilen an Hamburgs Schulen helfen
An Hamburgs Schulen sei „kein schlimmer antisemitischer Zwischenfall“bekannt, sagt Schulsenator Ties Rabe (SPD) auf der Landespressekonferenz. Also keiner, der zum Beispiel gewalttätig gewesen wäre. Aber ja, natürlich gebe es auch bei uns antisemitische Vorbehalte. Dies würden Lehrer vereinzelt berichten. Solchen Vorbehalten vorzubeugen, dabei sollen jetzt Unterrichtsmaterialien helfen, die von der HolocaustGedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem bereitgestellt werden.
➤ Warum ist das wichtig? „Wenn ich meine Mama frage: Wie war das damals? Dann kann sie nur sagen: Keine Ahnung, ich war nicht da“, sagt Ceyhan Cüce. Die Familie des engagierten Lehrers hat Wurzeln außerhalb Deutschlands, wie auch viele seiner Schüler. An der Stadtteilschule in Mümmelmannsberg hat er die Materialien bereits ausprobieren dürfen, die der Schulsenator vorstellt. Für ihn und seine Schüler seien die „ein Geschenk“. ➤ 500 Kartons hat Yad Vashem bereitgestellt: Lebensläufe, Fotos, Geschichten von verfolgten Juden. Etwa die von der „St. Louis“, einem Hamburger Passagierschiff mit 937 deutschen Juden an Bord, die 1939 auf ihrer Flucht weder Landeerlaubnis in den USA noch in Kanada bekamen – Premierminister Justin Trudeau hat sich erst kürzlich für dieses historische Versäumnis entschuldigt. Jedes Gymnasium und jede Stadtteilschule erhält nun zwei der Kartons – geballtes Material für etliche Unterrichtsstunden.
Lehrer Cüce berichtet aus dem Schulall- tag, dass manche Schüler den Umgang Israels mit den Palästinensern mit dem Holocaust gleichsetzen. Und – was noch schlimmer wiegt – dafür alle Juden verantwortlich machten. „Solche Vorbehalte kann ich mit dem Material leichter auffangen, als wenn ich nur sage: Das ist falsch, was du da sagst!“Das Besondere seien die biografischen Zugänge. In die können sich Schüler einfach besser einfühlen.
➤ Gibt es Probleme mit Antisemitismus? „Dem Zentralrat der Juden zufolge nimmt Antisemitismus in Großstädten zu“, sagt Senator Rabe. Aber, wie gesagt, harte Fälle seien nicht bekannt an Hamburgs Schulen, die wenigen Fälle verbaler Ausfälle würden nicht erfasst. Auch Mara Sommerhoff vom Lehrerbildungs-Institut sagt, Antisemitismus gebe es vereinzelt, das sei aber auch nicht neu. „Die Schulen wissen genau, was zu tun ist.“Auf die Frage, wie es mit Schimpfwörtern wie „Du Jude“steht: Man müsse natürlich immer die jeweilige Motivation anschauen. Provokation? Echter Antisemitismus? Aber auch hier soll das Material sensibilisieren. ➤ Opposition fordert Erfassung von Fällen: Birgit Stöver (CDU) mahnt: „Der Senat verschließt die Augen. Wir fordern, alle antisemitischen Vorfälle zu dokumentieren!“Sabine Boeddinghaus (Linke) meint, auch im Alltag bräuchten Lehrer ganz schlicht mehr Zeit, um auf antisemitische Vorurteile angemessen reagieren zu können: „Die Behörde muss mehr Raum dafür einräumen!“