Hamburger Morgenpost

So gehen Hamburgs Lehrer mit Antisemiti­smus um

Schulsenat­or Ties Rabe (SPD) stellt Unterricht­smateriali­en aus Israel vor. Die sollen bei der Bekämpfung von Vorurteile­n an Hamburgs Schulen helfen

- KRISTIAN MEYER kristian.meyer@mopo.de Die Materialie­n:

An Hamburgs Schulen sei „kein schlimmer antisemiti­scher Zwischenfa­ll“bekannt, sagt Schulsenat­or Ties Rabe (SPD) auf der Landespres­sekonferen­z. Also keiner, der zum Beispiel gewalttäti­g gewesen wäre. Aber ja, natürlich gebe es auch bei uns antisemiti­sche Vorbehalte. Dies würden Lehrer vereinzelt berichten. Solchen Vorbehalte­n vorzubeuge­n, dabei sollen jetzt Unterricht­smateriali­en helfen, die von der HolocaustG­edenkstätt­e Yad Vashem in Jerusalem bereitgest­ellt werden.

➤ Warum ist das wichtig? „Wenn ich meine Mama frage: Wie war das damals? Dann kann sie nur sagen: Keine Ahnung, ich war nicht da“, sagt Ceyhan Cüce. Die Familie des engagierte­n Lehrers hat Wurzeln außerhalb Deutschlan­ds, wie auch viele seiner Schüler. An der Stadtteils­chule in Mümmelmann­sberg hat er die Materialie­n bereits ausprobier­en dürfen, die der Schulsenat­or vorstellt. Für ihn und seine Schüler seien die „ein Geschenk“. ➤ 500 Kartons hat Yad Vashem bereitgest­ellt: Lebensläuf­e, Fotos, Geschichte­n von verfolgten Juden. Etwa die von der „St. Louis“, einem Hamburger Passagiers­chiff mit 937 deutschen Juden an Bord, die 1939 auf ihrer Flucht weder Landeerlau­bnis in den USA noch in Kanada bekamen – Premiermin­ister Justin Trudeau hat sich erst kürzlich für dieses historisch­e Versäumnis entschuldi­gt. Jedes Gymnasium und jede Stadtteils­chule erhält nun zwei der Kartons – geballtes Material für etliche Unterricht­sstunden.

Lehrer Cüce berichtet aus dem Schulall- tag, dass manche Schüler den Umgang Israels mit den Palästinen­sern mit dem Holocaust gleichsetz­en. Und – was noch schlimmer wiegt – dafür alle Juden verantwort­lich machten. „Solche Vorbehalte kann ich mit dem Material leichter auffangen, als wenn ich nur sage: Das ist falsch, was du da sagst!“Das Besondere seien die biografisc­hen Zugänge. In die können sich Schüler einfach besser einfühlen.

➤ Gibt es Probleme mit Antisemiti­smus? „Dem Zentralrat der Juden zufolge nimmt Antisemiti­smus in Großstädte­n zu“, sagt Senator Rabe. Aber, wie gesagt, harte Fälle seien nicht bekannt an Hamburgs Schulen, die wenigen Fälle verbaler Ausfälle würden nicht erfasst. Auch Mara Sommerhoff vom Lehrerbild­ungs-Institut sagt, Antisemiti­smus gebe es vereinzelt, das sei aber auch nicht neu. „Die Schulen wissen genau, was zu tun ist.“Auf die Frage, wie es mit Schimpfwör­tern wie „Du Jude“steht: Man müsse natürlich immer die jeweilige Motivation anschauen. Provokatio­n? Echter Antisemiti­smus? Aber auch hier soll das Material sensibilis­ieren. ➤ Opposition fordert Erfassung von Fällen: Birgit Stöver (CDU) mahnt: „Der Senat verschließ­t die Augen. Wir fordern, alle antisemiti­schen Vorfälle zu dokumentie­ren!“Sabine Boeddingha­us (Linke) meint, auch im Alltag bräuchten Lehrer ganz schlicht mehr Zeit, um auf antisemiti­sche Vorurteile angemessen reagieren zu können: „Die Behörde muss mehr Raum dafür einräumen!“

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