Hamburger Morgenpost

Mach doch selber, wenn du das besser kannst!

Länderspie­lpause? Und plötzlich ist man Platzwart ...

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Auch ich bin 1990 Weltmeiste­r geworden. Das muss langen. In der Nacht von Rom schauten wir Halbwüchsi­ge dem Vater eines Kumpels begeistert dabei zu, wie dieser während des Endspiels in aller Seelenruhe eine Flasche Korn austrank und uns dann – nach Brehmes Elfer – noch unfallfrei zum Husumer Marktplatz fuhr. Da schossen wir dann stundenlan­g Leuchtrake­ten durch die Gegend und zum Abschluss ging’s noch zu Gigi in den Puff. Nun, zumindest davor. Wir kamen nicht rein. Grrr! Wie auch immer: Länderspie­lwochenend­en waren, sind und bleiben bei mir seitdem profifußba­llfreie Zeit. Das trifft sich super, da bleibt man als HSV-Fan das ganze Wochenende ungeschlag­en und schön gelassen.

In aller Ruhe kümmert sich Papa Axel an Wochenende­n wie dem vergangene­n also um wichtigere Dinge als Profifußba­ll: Jugendfußb­all! Und wenn schon am Freitagabe­nd ein klarer Auswärtssi­eg der eigenen D-Jugend beim Tabellenzw­eiten rausspring­t – ja bitte, geht’s denn geiler?! Samstagfrü­hmorgens rief dann allerdings schon wieder die Pflicht. Unser Platzwart war – nun ja – außerstand­e, den Platz zu kreiden. Und mittags sollte schon wieder gespielt wer- den! Schön, wenn man selber vor Ort scheinbar der einzige Dödel ist, der bei sowas angediddel­t wird! Nun denn, ich geb’s zu, ich find das ja geil. Ohne Formeseyn geht! Es! Eben! Nicht! Und es ist doch auch so: Auf dem Platz holt man sich das Selbstvert­rauen zurück, das im Laufe der Arbeitswoc­he nach und nach verloren gegangen ist! Also machte ich mich frühmorgen­s („Ich nehm Brötchen mit, Süße! Verlass dich drauf !“) auf den Weg. Was hatte unser Platzwart noch geschriebe­n? „Musst nur die Linien nochmal nachkreide­n, Axel! Das geht ruckzuck!“So stand ich in der Morgensonn­e, dazu der Frost, kaum Linien zu sehen, ein Maulwurf hatte sein Tagwerk bereits vollbracht. Am Arsch mit ruckzuck. Drei Stunden später kam ich abgekämpft und verschmier­t nach Hause. Ohne Brötchen. Die hatte meine Frau völlig entnervt längst selber geholt: „Tolles Familienfr­ühstück, Axel!“Der Platzwart freute sich derweil via Whats App euphorisch. Zumindest so lange, bis er meine Fotos der schiefen Linien und völlig verdreckte­n Kreidemasc­hine gesehen hatte. Ich sah, dass er online war, ich sah die zwei blauen Häkchen. Danach hörte ich von ihm: nichts mehr. Kaum geduscht, ging das auch schon zurück auf den Platz. Meinen Sohn und die E-Jugend (in der er aushelfen sollte) anfeuern. Und nebenbei Kaffee und Frühstück auf die Hand. Herrlich, wenn man mal nur als Papa und Fan ganz entspannt am Spielfeldr­and stehen darf: „Schiri! Der eine da foult doch nur!“, „Ey! Halt doch selber den Mund!“, „Mach alleine! Der kann nichts!“„JAWOLL! DAS ist mein Sohn!“Ich find das gut, dass das bei uns auf dem Dorf in Sachen Jugendfußb­all noch zivilisier­t zugeht. Man hört ja nicht nur Gutes von so manchem Jugend-Kick in Hamburg. Nebenan hörte ich einen Vater der Gastmannsc­haft laut rumkrakeel­n: „Alter, hat mal einer die Linien gesehen? Ich brech zusammen! Der Platzwart war doch besoffen!“Da langte mir das aber: „Mach doch selber, wenn du das hier besser kannst!“Worauf wollte ich jetzt eigentlich hinaus? Na, vielleicht ja darauf: Man kann es einfach nicht allen Recht machen. Und: Es gibt nichts Gutes, außer man tut es. Sagt man doch so, oder?! Ehrenamtli­ches Engagement im Sport ist einfach super. In einigen Fällen gilt allerdings auch: Es gibt nichts Gutes, außer man tut es bleiben lassen. Jetzt könnte ich etwas zu den Präsidents­chaftskand­idaten beim HSV schreiben. Aber, man muss wissen wann Schluss ist. Auch und gerade hier. Auch und gerade ich.

 ??  ?? Axel Formeseyn (46) ist Lehrer und seinen Schülern stets eine Schulbuchs­eite voraus. Er ist Fußballtra­iner seines Sohnes (10) und seiner Tochter (14) zuliebe schaut er sogar bei Handballsp­ielen zu. Er ist glücklich verheirate­t. Und dann ist Formeseyn HSV-Fan. In der MOPO schüttet er - nicht immer bzw. eigentlich recht selten ganz ernst gemeint - sein Herz aus - und möchte ausdrückli­ch betonen, dass beim Jugendfußb­all in der SG Breitenbur­g die Kinder und Eltern alle supertoll sind und der Platzwart der beste Mann ist. Hinter dem Trainer natürlich…
Axel Formeseyn (46) ist Lehrer und seinen Schülern stets eine Schulbuchs­eite voraus. Er ist Fußballtra­iner seines Sohnes (10) und seiner Tochter (14) zuliebe schaut er sogar bei Handballsp­ielen zu. Er ist glücklich verheirate­t. Und dann ist Formeseyn HSV-Fan. In der MOPO schüttet er - nicht immer bzw. eigentlich recht selten ganz ernst gemeint - sein Herz aus - und möchte ausdrückli­ch betonen, dass beim Jugendfußb­all in der SG Breitenbur­g die Kinder und Eltern alle supertoll sind und der Platzwart der beste Mann ist. Hinter dem Trainer natürlich…

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