Der Killer ekelt sich vor sich selbst
Todespfleger Niels Högel spricht ausführlich über seine Taten
OLDENBURG - Wieder fanden sich weit über 100 Menschen in der Oldenburger Kongresshalle ein, in die das Landgericht die Verhandlung gegen den Todespfleger Niels Högel aus Platzgründen verlegt hatte. 100 Patienten soll der ehemalige Krankenpfleger zwischen Februar 2000 und Juli 2005 umgebracht haben. Nun kam heraus: Die Dunkelziffer könnte sogar noch höher liegen.
„Ich habe keine Erinnerung daran, dass ich eine Pause gemacht hätte“, sagte Högel. Zwischen den Taten, die ihm vorgeworfen werden, liegen zum Teil mehrere Monate, genug Zeit für weitere Verbrechen. Es seien ihm aber insgesamt mehr Reanimationen gelungen als gescheitert, wollte er klarstellen. Heute fühle er angesichts seiner Taten Scham und Ekel vor sich selbst. Er sei empathielos und eiskalt gewesen, sagt er. Damals habe ihn der Tod der Patienten allerdings nicht berührt.
Bereits am ersten Prozesstag hatte Högel, der bereits wegen sechs anderer Taten lebenslang in Haft sitzt, die ungeheuerlichen Vorwürfe gegen ihn grundsätzlich eingeräumt. Nach Ansicht der Ermittler spritzte er seinen Opfern Medikamente in tödlicher Dosis, um sie danach wiederbeleben zu können. Dadurch wollte er seine Kollegen mit seinen Reanimationskünsten beeindrucken. Ihm sei es allein um den Nervenkitzel und die Anerkennung gegangen, nicht darum, Patienten gezielt zu töten – oder sie gar von ihrem Leid zu erlösen, betonte Högel.
Die genaue Zahl seiner Taten lässt sich nicht mehr klären. Bei manchen Patienten provozierte er mehrmals beinahe tödliche Zwischenfälle und holte sie zurück ins Leben. Viele von denen, die nicht überlebten, wurden eingeäschert, so dass die Ermittler Rückstände der todbringenden Medikamente nicht mehr nachweisen konnten.
Wie schwierig die Wahrheitssuche in der wohl größten Mordserie in der deutschen Nachkriegsgeschichte werden wird, zeigte sich gestern: Die Richter befragten Högel erstmals ausführlich zu den einzelnen Taten. An einige seiner Opfer erinnerte er sich genau, an andere nach eigener Darstellung gar nicht. Dass er diese getötet haben könnte, schloss er aber auch nicht aus. „Ich kann mir keinen anderen vorstellen, der so was tut.“
Zum ersten Mal soll er eine Patientin im Februar 2000 auf der Oldenburger Intensivstation getötet haben. An seinen mutmaßlich ersten Mord habe er keine Erinnerung, sagte Högel. Und ob dieser tatsächlich sein erster gewesen sei, könne er auch nicht sagen. Die zweite Tat, die ihm die Staatsanwaltschaft zur Last legt, bestreitet er vehement. „Das ist einer der wenigen Patienten, bei denen ich sagen kann, dass ich da keine Manipulation vorgenommen habe.“Dazu im Widerspruch steht allerdings, dass Experten Rückstände eines bei anderen Taten verwendeten Medikaments im Körper des Mannes fanden. Zudem war Högel bei der Reanimation anwesend, obwohl er gar keinen Dienst hatte.
„Es ist wichtig, dass wir unvoreingenommen aufklären, was gewesen ist“, sagte der Vorsitzende Richter Sebastian Bührmann. Am Ende müsse das Gericht in jedem einzelnen Fall entscheiden, ob der Angeklagte schuldig sei. Auch deshalb sind allein für die Aussage des Angeklagten drei weitere Verhandlungstage eingeplant.