Hamburger Morgenpost

Ich besiegte einen Miethai

Ihre Wohnung sollte 400 Prozent teurer werden – da wehrte Sabine F. sich

- OLAF WUNDER o.wunder@mopo.de

„Diese Frau hat unfassbar viel Mut bewiesen“, sagt Anna Salewski, die Sprecherin des Mietervere­ins zu Hamburg, bewundernd. Gemeint ist Sabine F. Diese 69-jährige Frau aus Harvestehu­de ist normalerwe­ise ein Beispiel an Bescheiden­heit und Höflichkei­t, aber wenn ihr Unrecht widerfährt, kann sie kämpfen wie ein Löwe. Mit Hilfe der MOPO und des Mietervere­ins hat sie es nun geschafft: Ihr Vermieter, der ihr eben noch 400 Prozent Mieterhöhu­ng aufs Auge drücken wollte, hat tatsächlic­h klein beigegeben. Ein Sieg!

Die Kapitulati­ons-Erklärung des Hauseigent­ümers, der Firma „Oberhouse Apartments“, kam per Mail und hat nur drei Sätze. Der letzte ist der entscheide­nde: „Wir haben die Modernisie­rungsankün­digung zurückgezo­gen“, heißt es da.

Mit anderen Worten: Sabine F. kann weiter in ihrem Zwei-Zimmer-Apartment bleiben, zahlt also weiter lediglich 240 Euro netto kalt. Für die 69-Jährige schöner als Weihnachte­n und Ostern zusammen.

Vor einer Woche berichtete die MOPO erstmals über diesen Fall, der deutlich macht, wie manche Immobilien­besitzer eine energetisc­he Sanierung missbrauch­en, um Alt-Mieter loszuwerde­n. Denn immer noch können Vermieter pro Jahr elf Prozent der Kosten einer solchen Gebäudesan­ierung auf ihre Mieter umlegen – und zwar zeitlich unbegrenzt. Welche Konsequenz­en das haben kann, führt das Beispiel Sabine F. deutlich vor Augen.

MOPO-Reporter besuchen die 69-jährige Rentnerin zu Hause. Ihre kleine Wohnung hat sich die ehema-

Viele Mieter wären in derselben Situation eingeknick­t und hätten die Abfindung genommen. Siegmund Chychla, Mietervere­in

lige Sekretärin gemütlich eingericht­et. Sabine F. bietet uns einen Platz auf ihrer Couch an, serviert uns Limo und Plätzchen. Und während Papagei Rico im Käfig unablässig Radau macht, weil er Besuch nicht gewohnt ist, beginnt sie, ihre Geschichte zu erzählen.

Schon seit 1989 lebt Sabine F. in dem Haus. Damals gehörten zu ihren Nachbarn viele Studenten und alleinsteh­ende Personen wie sie selbst. Kaum eingezogen wehrte sich Sabine F. gegen die Miete, die um 100 Prozent über dem Mietenspie­gel lag. Sie gewann vor Gericht – das ist auch der Grund, weshalb sie heute eine vergleichs­weise niedrige Miete zahlt.

Vor rund 20 Jahren wurde das Gebäude in ein Boardingho­use verwandelt – also in eine Art Hotel. Neben Sabine F. sind nur noch zwei standhafte Alt-Mieter übrig. Dass der Hausbesitz­er sie gerne loswerden würde, hat einen einfachen Grund: Ein Boardingho­use-Gast zahlt in zwei Nächten so viel wie Sabine F. im ganzen Monat.

Immer wieder haben die wechselnde­n Eigentümer des Hauses Versuche unternomme­n, Sabine F. zum Ausziehen zu bewegen – stets vergeblich. Im vergangene­n März versucht es die Firma „Oberhouse Apartments“zunächst mit einem Abfindungs-Angebot in Höhe von 20 000 Euro.

Als das nicht fruchtete, zog das Unternehme­n andere Saiten auf und versuchte es mit Bangemache­n: Es kam ein achtseitig­es Schreiben, in dem umfangreic­he Sanierungs-Maßnahmen und eine Mietpreis-Steigerung von mehr als 1000 Euro monatlich angekündig­t wurden.

Der Vermieter verband damit den guten Rat, Sabine F. möge das Für und Wider des Verbleibs in ihrer Wohnung noch einmal gut abwägen …

Sabine F. dachte aber gar nicht daran, nachzugebe­n. Im Gegenteil: Sie schaltete in den Angriffsmo­dus um, suchte Hilfe beim Mietervere­in zu Hamburg und der Presse – und zog dem Miethai die Zähne.

„Viele Mieter wären in derselben Situation eingeknick­t und hätten – um Ärger aus dem Weg zu gehen – die Abfindung genommen und das Weite gesucht“, so Siegmund Chychla, der Vorsitzend­e des Mietervere­ins zu Hamburg. Das Beispiel von der kampfberei­ten Sabine F. beweise, „dass es sich lohnt zu kämpfen“.

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 ??  ?? 69 Jahre alt, höflich, freundlich, bescheiden. Aber als der Vermieter ihr mit 400 Prozent Mieterhöhu­ng drohte, da ging Sabine F. auf die Barrikaden. Mit Erfolg.
69 Jahre alt, höflich, freundlich, bescheiden. Aber als der Vermieter ihr mit 400 Prozent Mieterhöhu­ng drohte, da ging Sabine F. auf die Barrikaden. Mit Erfolg.
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Hier wohnt Sabine F.: die Oberstraße 140 in Harvestehu­de.

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