Der umtriebige Kevin und die Kobolde von Cooley
Ein bodenständi er Mana er hatte eine anz verschrobene Idee: Er schuf eine verrückte Fantas -Welt für irische Wichtelmänner. etzt ilt er als lokale Größe und wird durchaus ernst enommen
Für seine 74 Jahre ist Kevin Woods noch erstaunlich beweglich. „Kommen Sie“, sagt er mit einer einladenden Handbewegung und krabbelt auf allen vieren durch eine etwa drei Meter lange Betonröhre. Hier beginnt das Wunderland. Er hat es geschaffen. Anderthalb Meter unter der Erde öffnet sich seine skurrile Fantasy-Welt der Leprechauns.
Leprechauns? Die winzigen Wesen mit dem zungenbrecherischen Namen (gesprochen Lé-prè-chaun) gehören zur irischen VolksMythologie und sind etwa den Elfen, Gnomen und Kobolden gleichzusetzen, wie sie in der Sagenwelt Skandinaviens vorkommen. Leprechauns sind so uririsch wie das grüne Gras oder das schwarze Guinness. Und sie sind bedroht – sagt Kevin Woods. Wahrscheinlich wären sie schon längst ausgestorben, wenn es nicht Menschen wie ihn gäbe. Er betreibt sein Hobby mit einer beeindruckenden Ernsthaftigkeit und hat es damit schon auf die Titelseite der „Irish Times“geschafft.
Die Leprechauns sind von gutmütigem Wesen, gewöhnlich trifft man sie am Ende des Regenbogens, dort wo der Sage nach ein Sack voller Gold auf den Finder wartet. Die verschieden gekleideten Kobolde stehen für 15 unterschiedliche Charaktere, jeder einzelne symbolisiert bestimmte Eigenschaften.
Als „Leprechaun-Flüsterer“lässt Woods die Geschichten erlebbar werden und er gehört inzwischen zum touristischen Inventar der Halbinsel Cooley, wo das ehemalige Fischerdorf Carlingford zum beliebten Anlaufpunkt für Wassersportler, Wanderer und Fahrrad-Urlauber geworden ist.
Und wem nach einer Melange aus Fantasie, Märchen, geheimnisvollen Begegnungen und rustikalem Humor zumute ist, sucht Kevin Woods in der Ghan Road auf. Zu verfehlen ist die globale LeprechaunZentrale nicht: Eine etwa zwei Meter große Statue des Kobolds bewacht wie ein überdimensionierter Gartenzwerg das Grundstück des „Flüsterers“.
Woods, ehemaliger Manager einer Tabak-Firma, macht nicht den Eindruck, dass seine geistige Gesundheit in Gefahr wäre. „Ja, genau 236 von ihnen gibt es da draußen noch“, sagt er und deutet mit einer ausholenden Armbewegung auf den
Berg Slieve Foye, der unmittelbar hinter Carlingford bis auf knapp 600 Meter aufsteigt. Dort an den Hängen erlebte Woods das, was er heute seinen Besuchern als eine Art Erweckungserlebnis beschreibt.
Danach war ihm seine Aufgabe klar: Als Beschützer und Bewahrer des festen (meist kindlichen) Glaubens an die Existenz der Leprechauns sollte er zum Hauptprotagonisten dieses Teils irischer Folklore werden.
Um der von ihm verwalteten Wunder-Welt eine erlebbare Bedeutungsschwere zu geben, verlegte Woods einen Teil seiner Aktivitäten in die Unterwelt. Vor einigen Jahren erwarb er einen ehemaligen Lagerplatz für Signalbojen gegenüber seinem Grundstück und fing bald darauf an zu graben. Dass ihm dazu die behördliche Genehmigung fehlte, störte ihn nicht weiter. „Zunächst war das illegal“, feixt er heute, „aber dann hat das Bauamt wohl eingesehen, dass ich hier einen touristischen Anziehungspunkt schaffe.“
Die Höhle am Ende der Röhre ist etwa vier mal vier Meter groß und Erwachsene können bequem darin stehen. Mit viel Liebe zum Detail hat der LeprechaunFlüsterer die kleinen Figuren platziert, zusätzliche Nischen gebuddelt, Lautsprecher installiert, mit farbigen Leuchten allerlei geheimnisvolle optische und akustische Effekte geschaffen sowie einige präparierte Vögel und Nager als „Bewohner“eingesetzt.
„Hier, schauen Sie mal!“Woods hält eine winzige Jacke und eine Hose in die Höhe. Das sind nicht etwa Puppenkleider, sondern ein Original-Leprechaun-Outfit.
Seine Freunde in den Bergen hätten es ihm überlassen, erklärt Woods, damit er anschaulich von deren Leben berichten könne. Vor acht Jahren hat er ihnen in seinem Buch „The Last Leprechauns“ein literarisches Denkmal gesetzt und es gibt sogar in der Hauptstadt Dublin ein Leprechaun-Museum.
Inzwischen hat Woods einige Mitstreiter im Ort, die das Potenzial des KoboldKuriosums zur Pflege und Abgrenzung der lokalen Identität erkannt haben. Ihr vorerst größter Erfolg ist wohl, dass sie seit 2011 von einem „offiziellen Schutz der Europäischen Union für Irlands Leprechauns“sprechen dürfen.
Wie bitte? Märchenwesen als Protegés der als nüchtern und humorlos verschrienen EU-Bürokratie? Woods grinst erneut. Mit Fantasie und Chuzpe hätten sie es hinbekommen, Brüssel von der Schutzbedürftigkeit der Wichtel zu überzeugen.
Und irgendwie hat er sogar recht. Die EU-Richtlinie Nr. 92/43/EWG des Europäischen Rates dient „zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wild lebenden Tiere und Pflanzen“und schützt seit 2011 auch die vielfältige Flora und Fauna im Cooley-Gebiet.
Und da auch die Leprechauns Bestandteil dieses Lebensraums seien, so Woods’ Logik, sind sie natürlich auch durch die EU-Bestimmungen geschützt.
Der rastlose Kevin hat noch große Pläne mit seinen kleinen Schützlingen. Als Nächstes, sagte er, wolle er ein Besucherzentrum bauen.