Kauft nicht online – sonst stirbt die Stadt!
MOPO-Reporter Thomas Hirschbiegel befürchtet ein Ladensterben und die Verödung der Innenstadt
Kaufen Sie gerne im Internet? Ja? Schon mal daran gedacht, dass Sie der Totengräber der Hamburger Innenstadt und der Geschäfte in den Stadtteilen sind? Nein? Ist aber so. Ich fordere: Kaufen Sie nichts im Internet, was es nicht auch in einem Hamburger Geschäft gibt. Sonst stehen wir eines Tages in Haupteinkaufsstraßen vor langen Reihen leerer Läden. Die Zentren würden veröden und tausende Jobs im Einzelhandel der Hansestadt wegfallen.
„Ist die Innenstadt noch zu retten?“Unter dieser Überschrift lud der „Trägerverbund Innenstadt“am Mittwoch zur Mitgliederversammlung. Der Vorsitzende, Schuh-Unternehmer Ludwig Görtz (83), sprach dort von der „größten Herausforderung der Geschichte“für den Einzelhandel. Große Worte, zu viel Pathos? Nein. Schon ein Viertel der Deutschen shoppt aktuell seine Weihnachtsgeschenke im Internet. Und es werden immer mehr Menschen, die alles, was sie so brauchen, bei Amazon und Co. kaufen.
Tatsächlich muss niemand mehr in ein Geschäft gehen, es gibt ja vom Kondom bis zur goldenen Rolex alles im Internet. Aber mit welchen Folgen? Die Karawane der Paket-Laster wird immer länger, verstopft unsere Straßen. Und irgendwann, wenn der letzte Laden im letzten Stadtteil dicht ist und die allerletzte Fachverkäuferin gefeuert wurde, werden wir uns fragen, wann dieser Irrsinn angefangen hat? Und warum wir das zugelassen haben!
Ja, Sie haben vermutlich erkannt, dass hier jemand schreibt, der sich vielleicht gelegentlich mal bei eBay eine olle Armbanduhr ersteigert, sonst aber wahnsinnig gern shoppen geht. Ich liebe es, in schön dekorierte Läden zu gehen und mich von sachkundigen Verkäufern beraten zu lassen. Ja, ich mag es sogar, wenn mich ein Verkäufer mal zu einem unvernünftigen Kauf überredet.
Ja, werden Sie nun sagen, aber im Internet ist doch alles viel billiger! Wirklich? Ich gucke natürlich auch im Netz nach Preisen und dann spaziere ich in das Geschäft meiner Wahl, belege den Internet-Preis und schwups bekomme ich mein Wunschteil zu einem attraktiven Kurs. Klappt natürlich nur bei kleineren inhabergeführten Geschäften. Bei Karstadt muss man eher auf die vielen Sales warten.
Was ich damit sagen will: Einkaufen ist für mich eine Sache von Mensch zu Mensch mit dem Ergebnis, dass ein Kaufmann etwas Gewinn gemacht hat, ein Verkäufer eine Provision erhält und ich ein schönes Teil bekomme. Punkt. Aber dafür muss der Einzelhandel noch zulegen, was Personalstärke, Ausbildung und Service betrifft. Denn das ist der einzige Weg in die Zukunft eines f orierenden Hamburger Einzelhandels.
Was unsere Heimatstadt anbelangt, gibt es allerdings ein weiteres Problem – die Attraktivität der Innenstadt. Fällt Ihnen ein Platz ein, an dem Sie sich gerne auf alten? Mir nicht. Burchardplatz, Georgsplatz, Gerhart-Hauptmann-Platz oder Gänsemarkt sind verdammt öde. Und der Rathausmarkt? Auch nicht gerade das Aushängeschild einer Stadt, die sich für die schönste der Welt hält!
Hamburgs Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) war auf der Innenstadt-Versammlung zu Gast und legte Zweck-Optimismus an den Tag: „Ich sehe für die Innenstadt auch für die nächsten 100 Jahre beste Perspektiven.“Woher er diesen Optimismus nimmt, das ist mir schleierhaft.
Nur wenn es Einzelhändler, Grundbesitzer und die Stadt schaffen, einen Einkaufsbummel in der City zum „Gesamtkunstwerk“werden zu lassen, nur dann gibt es angesichts der gewaltigen Bedrohung durch den Online-Handel eine echte Chance für den Hamburger Einzelhandel. Nur so können die Hamburger davon abgehalten werden, Shopping mit dem Warten auf das nächste DHL-Paket gleichzusetzen.