Hamburger Morgenpost

Hamburg, Merkels Schicksals-Stadt

Wie eine Frau aus Harvestehu­de die Welt eroberte

- MIKE SCHLINK mike.schlink@mopo.de

Jetzt beginnt Angela Merkels Abschiedst­our. Die Bundeskanz­lerin wird spätestens nach der laufenden Wahlperiod­e aufhören, heute in Hamburg zudem den CDU-Parteivors­itz abgeben. Damit geht eine Ära zu Ende – in der Stadt, in der für die 64-Jährige alles begann.

Hamburg war Merkels Schicksal. Von Geburt an: Am 17. Juli 1954 erblickte Angela Dorothea Kasner im „Elim“Krankenhau­s das Licht der Welt. Sechs Wochen lang war sie Hanseatin, lebte in einem Altbau an der Isestraße (Harvestehu­de) – ehe sie mit ihren Eltern in die DDR übersiedel­te. Hamburg aber ließ sie nie los, ihr politische­r Erfolg war immer wieder mit ihrer Heimatstad­t verknüpft.

Ein Beispiel: der Bürgerscha­fts-Wahlkampf 2004. Als Bundesvors­itzende unterstütz­te Merkel den damaligen Bürgermeis­ter Ole von Beust (CDU) – mit Erfolg. Die Christdemo­kraten holten die absolute Mehrheit, stellten erstmals allein den Senat. Ein gigantisch­er Sieg. Und für Merkel ein wenig Aufwind zur richtigen Zeit. Gerade im Hinblick auf die vorgezogen­e Bundestags­wahl 2005, die sie bekanntlic­h knapp für sich entscheide­n konnte – und zur ersten Bundeskanz­lerin Deutschlan­ds gewählt wurde.

Doch selbst dann brach der Kontakt nach Hamburg nie ab. Im Gegenteil. Gerade mit von Beust pflegte sie ein gutes Verhältnis, immerhin standen beide politisch für eine ähnliche Ausrichtun­g der CDU, für eine Partei der Mitte. Bei der Bürgerscha­ftswahl 2008 gab’s in Hamburg schließlic­h das, worauf Merkel mit ihrer in den eigenen Reihen umstritten­en Politik zuletzt auch auf Bundeseben­e hingearbei­tet hatte: eine Koalition von CDU und Grünen.

Doch genaue diese Ausrichtun­g sorgt heute für viel Ärger. „Leider haben wir in der CDU während Merkels Amtszeit einige Kernthemen einbüßen müssen. Zum Beispiel bezüglich der Wehrpflich­t oder auch in wirtschaft­spolitisch­en Fragen“, sagt Antonia Hauffler, Vorsitzend­e der Jungen Union Hamburg. „Als Hamburgeri­n finde ich es auch schade, dass es von ihr kein klares Bekenntnis zu Olympia gab.“

Doch sie findet auch lobende Worte. Sie kenne keinen Politiker, der so ohne persönlich­e Eitelkeit regieren konnte. Dass sie mit Personen wie Putin, Trump und Erdogan umgehen konnte, zeichnet sie aus, so Hauffler.

Das gilt auch für den G20Gipfel: Beim Matthiae-Mahl 2016 verzückte sie Teile der Stadt noch mit der Ankündigun­g, die Mächtigen dieser Welt nach Hamburg zu holen. Als die Stadt dann im Chaos versank, gab es nicht wenige, die sie dafür mitverantw­ortlich machten.

Ein Makel, der sie fortan begleitete. Viel schwerer wiegt in der öffentlich­en Wahrnehmun­g jedoch der Umgang mit der Flüchtling­s-

krise. „Kritisch sehen muss man, dass wir alle die Entwicklun­g in einigen Ländern nicht richtig antizipier­t haben und so nicht ausreichen­d auf die Flüchtling­sströme 2015 vorbereite­t waren“, sagt Landeschef Roland Heintze (CDU).

Merkel auf das Thema Flüchtling­e zu reduzieren, wäre aber wohl falsch: „Sie hat die europäisch­e Einigung in einer schwierige­n Zeit vorangetri­eben“, sagt Heintze. Und: Sie habe die deutsche Wirtschaft vorangebra­cht. Für Hamburg als Hafenstadt war das besonders wichtig.

Kein Wunder, dass sie hier in der Regel gern gesehen war, etwa bei der „Elphi“-Eröffnung. Und war sie mal nicht hier, konnte man sie als Wachsfigur im „Panoptikum“oder als „Miniaturwu­nderland“-Abbild bestaunen. Vielleicht kommt sie künftig öfter in ihre Heimatstad­t – wenn der politische Trubel vorbei ist …

 ??  ?? Gemeinsam brachten die erste schwarz-grüne Koalition Deutschlan­ds auf den Weg: Angela Merkel 2009 mit Olevon Beust (l.) und Ex-Finanzsena­tor Michael Freytag
Gemeinsam brachten die erste schwarz-grüne Koalition Deutschlan­ds auf den Weg: Angela Merkel 2009 mit Olevon Beust (l.) und Ex-Finanzsena­tor Michael Freytag
 ??  ?? Von der Kanzlerin gibt’s in Hamburg eine Miniatur, eine Wachsfigur – und sogar eine „Barbie“.
Von der Kanzlerin gibt’s in Hamburg eine Miniatur, eine Wachsfigur – und sogar eine „Barbie“.
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 ??  ?? Stilsicher in Rosa: .erkel hielt immer wieder Reden im Rathaus – und holte schließlic­h den G20-Gipfel in unsere Stadt. An den Augen erkennt man sie schon irgendwie: Das Foto zeigt Angela .erkel als Kind. Sechs Wochen lang war dieser Altbau an der Isestraße das Zuhause eines Babys namens Angela. Am Ende ist auch der Hass groß: Die „.erkel muss weg“-Demos sorgen wochenlang für Schlagzeil­en in Hamburg.
Stilsicher in Rosa: .erkel hielt immer wieder Reden im Rathaus – und holte schließlic­h den G20-Gipfel in unsere Stadt. An den Augen erkennt man sie schon irgendwie: Das Foto zeigt Angela .erkel als Kind. Sechs Wochen lang war dieser Altbau an der Isestraße das Zuhause eines Babys namens Angela. Am Ende ist auch der Hass groß: Die „.erkel muss weg“-Demos sorgen wochenlang für Schlagzeil­en in Hamburg.

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