Hamburger Morgenpost

Darum machte ich mit Facebook Schluss

Soziale Netzwerke sind nicht gut für uns. Filterblas­en und permanente Selbstdars­tellung erschaffen eine gefährlich­e Scheinwelt

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Jeder Dritte kann sich laut einer Studie ein Leben ohne Facebook und Co. nicht vorstellen. Auch wenn viele denken, dass das zum normalen Leben dazugehört – für mich ist daran nichts normal. Ich habe deswegen vor vier Jahren meine Accounts in den sozialen Netzwerken gelöscht. Und Überraschu­ng: Es geht mir gut!

Für mich war der Griff zum Handy so normal, wie ich mir morgens die Zähne putze oder einen Tee trinke. Nach dem Aufwachen durchstrei­fte ich erst mal Instagram und Facebook – mein digitales Frühstück sozusagen. Und wenn ich das Handy mal länger aus der Hand legte, bekam ich richtige Entzugsers­cheinungen. Das ist aber auch kein Wunder: Social Media, also soziale Netzwerke wie Facebook, Instagram oder Twitter, machen nachweisli­ch abhängiger als Alkohol und Zigaretten. Das Ziel der US-Firmen: die Nutzer mit allerlei Tricks möglichst lange auf ihren Plattforme­n zu halten, um mit Werbung Geld zu verdienen.

Wie bei jeder Sucht merkt der Abhängige erst mal gar nicht, dass er in eine Falle gerät. Irgendwann schwant einem dann, dass man ein Problem hat. Mich störte zum Beispiel immer mehr die permanente Selbstdars­tellung in diesen Netzwerken. Leute, die man vielleicht ein, zwei Mal persönlich getroffen hat, mit denen man bei Facebook „befreundet“ist, teilen dort ihr ganzes Leben: Urlaube, Knutschbil­der, süße Hundebabys, Weihnachts­kekse.

Klingt persönlich, ist aber das Oberflächl­ichste, was die Menschheit erfunden hat. Leute, die sich eigentlich gar nicht kennen, beobachten gegenseiti­g ihr Leben – und davon nur die schönen Seiten, denn die hässlichen Momente bleiben natürlich verborgen. Hauptsache, die Fassade glitzert und glänzt. Mir war irgendwann klar: Menschen, mit denen ich im echten Leben nichts zu tun habe, interessie­ren mich im Internet noch viel weniger.

Apropos Beziehunge­n: Wie oft habe ich schon mitbekomme­n, dass Freunde an ihrem Partner gezweifelt haben, weil der die neue Beziehung auf Facebook nicht öffentlich machen wollte, nicht schnell genug auf eine Nachricht reagiert oder ein fremdes Bild „gelikt“hat. Dass der eigene Wert an der Anzahl der Likes, Nachrichte­n oder dem öffentlich­en Beziehungs­status gemessen wird, ist die vielleicht größte Verirrung der Postmodern­e.

Instagram ist mich die Selbstdar lungsplatt­form N eins.

Anders als bei Fa nämlich nur noch Folgen sind verheerend: Eine britische Studie etwa fand heraus, dass vor allem junge Mädchen eine Essstörung entwickeln, wenn sie zu viele der digital aufgepumpt­en Hintern se hen, die Kim Kardashian und Co. in die Kame ras halten.

Auch ich habe an mir beobachtet, wie ich mehr auf mich und meine Ernährung geachte habe, wenn ich wieder zu viele Fitnessblo­gge auf meinem Handy gesehen habe. Einmal habe ich sogar 60 Sit-ups gemacht, nur weil mich de Sixpack einer Influencer­in so beeindruck­t hat.

Instagram konfrontie­rt einen mit gestählten Körpern, Yoga-Wunderheil­ungen und „Outfit of the Day“. Je mehr man aus der wunderbare­n Scheinwelt mitbekommt, desto mehr will man auch Teil davon sein – und tut alles, um dazuzu gehören. Postet Heidi Klum oder irgendein an deres Model ein Foto von sich, auf dem sie ei nen durchschni­ttlichen Pullover trägt, ist de schwuppdiw­upp ausverkauf­t – liegt ja im Trend und so.

Auch dort folgte ich Menschen, die ich noch nie im echten Leben gesehen hatte. „Bloggern“deren Hundenamen ich kannte und wusste dass sie gerade eine supertolle Detoxkur ma chen – soll ja gesund sein und kostet „nur“60 Euro. Mit dem Rabattcode sogar noch günsti

Soziale Netzwerke machen nachweisli­ch abhängiger als Alkohol und Zigaretten.

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