Hamburger Morgenpost

Wer auf St. Pauli lebt, muss Lärm ertragen

Kultursena­tor Brosda über Clubs, Proberäume und ein Hamburger „East End“

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Musikstadt Hamburg – das ist mehr als Elphi, Laeiszhall­e und Staatsoper. Dazu gehört auch eine der lebendigst­en SubkulturS­zenen des Landes mit Rockbands, HipHop-Crews und Musikclubs. Aber während das Reeperbahn-Festival – auch mit Förderung der Stadt – immer mehr an Bedeutung gewinnt, ist diese Musik-Szene dank Gentrif zierung & Co. akut bedroht. Die MOPO sprach dar ber mit Kultursena­tor Carsten Brosda (44, SPD).

MOPO: Herr Brosda, wann waren Sie das letzte Mal privat auf einem Rockkonzer­t?

Brosda: Mein letztes Rockkonzer­t ist, abgesehen vom Reeperbahn­Festival, wo man als Senator ja leider eher schnell durchlaufe­n muss, schon ein bisschen her. Das müsste Jason Isbell im Uebel & Gefährlich gewesen sein – vor einem Jahr etwa.

Wie wichtig ist aus Ihrer Sicht die Musik für Hamburg?

Die kann man gar nicht überschätz­en. In Hamburg ist die Idee des öffentlich­en Konzerts gegen Eintritt miterfunde­n worden. Mit dieser Idee ist der Hamburger Komponist Georg Philipp Telemann sehr reich geworden. Vorher gab es Aufführung­en nur bei Hofe. Und diese Geschichte kann man weiterspin­nen über die Beatles, die Hamburger Schule bis zum Reeperbahn-Festival – mittlerwei­le die Veranstalt­ung für populäre Musik in Europa.

AproposRee­perbahn-Festival–gerade auf St. Pauli, mit dessen Kreativima­ge geworben wird, gibt es Probleme: Clubs geraten unter Druck, die Gentrifizi­erung greif um sich. Was tun Sie dagegen?

Erst mal: Das Reeperbahn-Festival ist eine wunderbare Gelegenhei­t zu zeigen, welche Kraft in der Clubkultur steckt – gerade in Hamburg! Wir sind zudem seit Jahren im Austausch mit dem Clubkombin­at, wir haben Instrument­e, die in Deutschlan­d einzigarti­g sind, wie den Live-ConcertAcc­ount, mit dem wir Livemusik in Clubs unterstütz­en. Wir haben die Clubstiftu­ng, wir helfen bei der Sanierung einzelner Clubs, beim Lärmschutz, der vielerorts gerade Thema ist. Wir arbeiten daran, dass bei Neubauten die ehemaligen Clubs wieder einziehen können. Beim Mojo hat das geklappt, beim Molotow muss das noch klappen.

Ein Ärgernis: Neue Bewohner, die sich über Lärm beschweren.

Das ist eine Geschichte, die die ganze Stadt angeht. Wenn man mitten in der Stadt lebt, gehört dazu Lärm. Im Herzen einer Metropole geht es eben anders zu als auf dem Dorf in Westfalen oder Schwaben.

Und wenn Menschen älter werden und es ruhiger haben wollen?

Ich glaube, es gibt genug ruhige Ecken in Hamburg. Da kann man nicht erwarten, dass das Viertel um einen rum mitaltert. Und außerdem: Wenn Clubs wie das Grünspan schon den 50. feiern, dann altern ja offensicht­lich auch die Clubs mit ...

Was kann die Stadt konkret tun?

Es gibt neuerdings die Möglichkei­t, besondere Gegenden als „urbane Gebiete“auszuweise­n, in denen höhere Lärmbelast­ungen zulässig sind. Dem Sport hilft das manchmal. Vielleicht kann das auch für die Kultur ein Weg sein.

Viele Clubs stehen auch unter starkem wirtschaf lichem Druck ...

Genau! Gerade im Live-Geschäft wird aber insgesamt auch Geld verdient. Und da würde ich mir manchmal eine größere Solidaritä­t wünschen innerhalb der Veranstalt­ungswirtsc­haft. Eine viel diskutiert­e Idee ist zum Beispiel: ein Cent pro verkauftem Ticket an die kleineren Clubs. Ich kann dem etwas abgewinnen. Kaum ein Star kommt ja direkt von YouTube in die Barclaycar­d-Arena. Groß werden die meisten doch in den kleinen Läden. Und das könnten die größeren Konzertver­anstalter honorieren.

Um den Musikbunke­r in der Otzenstraß­e gibt es ja gerade Ärger, der Bezirk hat jetzt Proben dort of iziell untersagt. Was wäre eine gangbare Lösung? absurd hohen Mieten den Clubstando­rt St. Pauli?

Die Clubszene verändert sich immer. Einige schließen, andere wie im Klubhaus St. Pauli eröffnen. Die Szene fokussiert sich noch sehr stark auf St. Pauli. Ich persönlich hätte kein Problem damit, wenn auch an anderen Stellen Clubs entstehen. In Hammerbroo­k gab es ja Ansätze. In Rothenburg­sort gibt es einige Tonstudios – warum sollte dort nicht auch abends etwas stattfinde­n? Warum nicht unser eigenes „East End“in einem der östlichen Stadtteile?

Welche Orte meinen Sie damit?

Beim Kraftwerk Bille passiert ja schon einiges. Das Hochwasser­bassin wäre so ein Ort, da gibt es auch schon ein Vinylpress­werk und Ähnliches. Das meiste ist aber gar nicht planbar, sondern die Stadt muss vielmehr schauen: Wo passiert etwas, das wir dann auch unterstütz­en können? Die Gegend um das Moloch etwa: Wenn die ein lebendiges Quartier werden soll, dann wird das nicht nur mit Wohneinhei­ten gehen.

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