Hamburger Morgenpost

Die Weihnachts-Mission der Seenot-Retter

Organisati­on „Sea-Eye“schickt erstes Schiff unter deutscher Flagge ins Mittelmeer

- KRISTIAN oEYER kristian.meyer@mopo.de

Die privaten Seenotrett­er im Mittelmeer bekamen seit dem Regierungs­wechsel in Italien starken Gegenwind. Sie durften teils nicht anlanden, wurden wochenlang im Hafen festgehalt­en oder bekamen plötzlich Flaggen der Niederland­e oder Panamas entzogen. Jetzt hat die Rettungs-Organisati­on „SeaEye“eine Lösung gefunden: das erste Rettungssc­hiff unter deutscher Flagge! Und zwar mit ganz viel Hamburg an Bord.

„Ich kann immer noch nicht glauben, dass es wirklich geklappt hat“, sagt Gorden Isler (36), einer der drei Vorstände von „Sea-Eye“. Die gemeinnütz­ige Organisati­on hat mit der „Professor Albrecht Penck“ihr erstes Rettungssc­hiff unter deutscher Flagge. Und das ist nun unterwegs in Richtung Mittelmeer, will ab Mitte Dezember vor Libyen, Italien und Malta kreuzen. „Eine Weihnachts­mission“, nennt es Isler, einer von mehreren Hamburgern in der Organisati­on und an Bord der „Professor“.

„Wir erwägen, Hamburg zum Heimathafe­n des Schiffes zu machen“, sagt Isler. Die meisten Helfer und Unterstütz­er kämen vom Sitz der Organisati­on Regensburg, danach folge aber schon die Hafenstadt Hamburg. Der Nautische Offizier und vermutlich künftige Kapitän sowie der aktuelle Schiffskoc­h sind Hamburger. Sie überführen das Schiff mit einer Rumpfcrew nach Algeciras (Spanien). Dort stößt unter anderem die Hamburger Ärztin Nicole Grimske (44) dazu, die auch schon das Bord-Hospital eingericht­et hat.

Als Ärztin habe sie eine natürliche Haltung dazu, wenn Menschen in Not seien: „Die Menschen, die aus Libyen fliehen, wissen, dass sie sich mit ihrer Flucht in Lebensgefa­hr begeben. Sie tun es trotzdem, weil es noch schlimmer wäre, dort zu bleiben. Einen Menschen in dieser Situation ertrinken zu lassen, wäre für mich undenkbar.“Politische Fragen nach Fluchtursa­chen oder gar einem möglichen Verschulde­n der Geflüchtet­en spielten in dem Moment keine Rolle.

Ärzte, Krankensch­western, Rettungsfa­hrer – von solchen Menschen gebe es nie Anfeindung­en für die privaten Seenotrett­er. „Die wissen, was Not bedeutet.“Und wenn jemand sagt, die Menschen hätten sich doch selbst in diese Situation gebracht? „Das ärgert mich am meisten“, so Isler. Was wäre dann mit Seglern oder Bergsteige­rn, die sich überschätz­en?

Auch die Frau von „Schiffskoc­h“Juan Camargo (54) ist Bordärztin, allerdings aktuell auf der „Sea-Watch 3“. Es ist nicht ihre erste Mission, die Rettung Geflüchtet­er ist fast schon ein Familienpr­ojekt. „Dass europäisch­e Politiker vorsätzlic­h Menschen ertrinken lassen, kann man doch nicht zulassen“, sagt er. Als bekannt wurde, dass die Penck-Mission startet, habe Camargo – hauptberuf­lich Eventmanag­er – gleich angerufen, ob er helfen kann. „Morgen Abend musst du an Bord sein“, habe Isler geantworte­t. Ordentlich­e Verpflegun­g – mit das Wichtigste, wenn man wochenlang unterwegs ist.

Das weiß auch Klaus Merkle (55). Der Winterhude­r Kapitän zur See ist auf der Überführun­g nach Algeciras Nautischer Offizier. Ab da wird er höchstwahr­scheinlich das Kapitänsam­t übernehmen. Jahrelang hat er Chemietank­er geführt.

Als die Diskussion­en um Geflüchtet­e im Mittelmeer begannen, war ihm aber klar: „Dass Brückenbes­atzungen jetzt von europäisch­en Regierunge­n genötigt werden, die Augen zu verschließ­en und Seenotfäll­e zu ignorieren, ist für mich unerträgli­ch.“Daher wurde er erst Einsatzlei­ter auf der „Aquarius“, einem weiteren Rettungssc­hiff. Und jetzt der Einsatz auf der „Professor Penck“.

Hauptaufga­be der Mission: Beobachtun­g! Die Situation festhalten, dokumentie­ren. Erstversor­gung von Verletzten, Kindern, Kranken, wenn ein Flüchtling­sboot auftaucht, sei selbstvers­tändlich, so Isler. Dann die italienisc­hen Behörden unterricht­en und bei größeren Schwierigk­eiten auch evakuieren.

Für die Mission würden noch Nautiker und Vollmatros­en dringend gesucht. Dank der deutschen Beflaggung gelten strengere Regeln beim Schiffsper­sonal. Aber der Einsatz lohne sich, sagt Isler: „Es ist das Sinnvollst­e, was ich in meinem ganzen Leben je gemacht habe.“

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Die berführung­s-Crew des Schif es, darunter die Hamburger Klaus oerkle (5.v. r.), Gorden Isler (4.v. r.) und Juan Camargo (2.v. r.)
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Auf seiner Überfahrt machte das Schif auch in Cuxhaven Halt.
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