Hamburger Morgenpost

Baby fast totgeschüt­telt

Das Kind wird lebenslang behinert sein.

- STEPHANIE LAMPRECHT s.lamprecht@mopo.de

Die kleine Lena (Name geändert) durfte nur fünf Wochen als gesundes Baby leben–dannschütt­elteihrVat­er (41) den zarten Körper so heftig, dass aus Lena ein schwerstbe­hindertes hirngeschä­digtes, blindes Kind wurde. Er wolle bitte nicht ins Gefängnis, bat der stellvertr­etende Marktleite­r eines Discounter­s unter Tränen zum Prozessend­e. Die Staatsanwa­ltschaft forderte viereinhal­b Jahre wegen versuchten Totschlags.

Der Psychiater, der Michel F. im Auftrag des Gerichtes begutachte­te, bescheinig­t dem schmächtig­en Kaufmann einen Mangel an Empathie. So sei im Gespräch etwa die trockene Bemerkung gekommen: „Meine Frau und ich haben zwei Kinder, aber von dem zweiten haben wir nicht viel.“Dennoch sei der Angeklagte voll schuldfähi­g.

Michel F. und seine Frau kennen sich schon seit der Konfirmati­on. Sie heirateten, bekamen 2010 ihre erste Tochter. Bereits damals hatte der junge Vater Angst, er könne dem Baby Gewalt antun – das weitergebe­n, was er selbst als Kind erfahren hatte. Als Junge hat er oft unter dem Bett geschlafen, dem einzigen Ort, an dem er sich sicher fühlte vor den PrügelAtta­cken seines Vaters.

Michel F. begann eine Psychother­apie. „Er hat als Kind viele Schläge bekommen, bemerkt seitdem zu spät, wenn er wütend wird“, so der Gutachter. Im August 2017 kommt Lena zur Welt, das langersehn­te zweite Wunschkind.

Das Baby leidet unter Koliken. „Brüllen“, sagt Michel F. dazu. Die Mutter zieht sich jeden Abend um Mitternach­t in den Keller des Langenhorn­er Einfamilie­nhauses zurück, um zu schlafen, ohne das „Brüllen“. Bei der ersten Tochter litt sie unter postnatale­n Depression­en, die gilt es nun zu verhindern.

Der Vater übernimmt, bis er um vier Uhr aufstehen muss. Nach wenigen Wochen sagt Michel F. seiner Frau, dass er am Ende seiner Kräfte sei. Ihre Antwort: „Reiß dich zusammen, die Koliken sind bald vorbei.“

Am 30. September kommt es zum ersten Gewaltausb­ruch: Michel F. schlägt dem weinenden Baby mit der Faust auf die Schläfe, der Schädel bricht, was jedoch unbemerkt bleibt. In der Nacht zum 8. Oktober dann das Schütteln mit katastroph­alen Folgen. Michel F. hat bereits einem Schmerzens­geld von 500 000 Euro zugestimmt. Mit seiner Frau ist er weiterhin zusammen. „Jeder macht mal Fehler“, soll sie zu ihm gesagt haben. Das Kind lebt jetzt bei einer Pflegefami­lie. Urteil am 13. Oktober.

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Versteckt sich: Michel F. verletzte seine Tochter massiv.
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