Hamburger Morgenpost

So schnell gibt es Kiez-Verbot

Warum die Polizei ohne Richter entscheide­n kann, dass Hamburger monatelang einen Stadtteil nicht betreten dürfen

- THO.AS HIRSCHBIEG­EL t.hirschbieg­el@mopo.de

Kiez-Verbot für Huren? Wie geht das denn? Das haben sich gestern viele Leser gefragt. Die Polizei im bekanntest­en Rotlichtvi­ertel der Welt hatte dort zwei Prostituie­rte ausgesperr­t, weil sie mehrfach Freier ausgeplünd­ert hatten. Rechtsgrun­dlage ist der §12 des Hamburger Gesetzes zum Schutz der öffentlich­en Sicherheit und Ordnung (SOG). Die MOPO beantworte­t die wichtigste­n Fragen zu dieser Regelung.

Was genau haben die beiden Prostituie­rten getan?

Laut Polizei haben die beiden Frauen vom Straßenstr­ich an der Davidstraß­e „Kunden“mit Dumping-Angeboten in eine Absteige an der Reeperbahn gelotst. Dort „entlockten“die 26 und 34 Jahre alten Prostituie­rten den meist schon halb bekleidete­n und oft angetrunke­nen Freiern die EC-Karten und die PIN, um für die Männer die Abbuchunge­n zu übernehmen. Doch statt vereinbart­en 100 oder 200 Euro „Liebeslohn“waren es dann bis zu 8000 Euro, die von den Konten der Opfer abgebucht wurden. Bei den Betroffene­n handelt es sich oft um Touristen aus Skandinavi­en oder der Schweiz. Es gibt Schätzunge­n, dass aus Scham nur etwa jeder zehnte Betrogene eine Anzeige erstattet. Die anderen stecken den Verlust weg, wollen oft auch durch eine öffentlich­e Gerichtsve­rhandlung nicht ihre Ehe gefährden. Immerhin in etwa jedem vierten Fall gelingt es der Kripo, eine verdächtig­e Prostituie­rte zu ermitteln. Was hat die Polizei jetzt angeordnet?

Die beiden betroffene­n Frauen dürfen sich für drei beziehungs­weise sechs Monate nicht auf dem Kiez blicken lassen. So soll verhindert werden, dass sie dort auch künftig weitere Männer abzocken.

Was ist die Rechtsgrun­dlage dafür?

Im Sicherheit­s- und Ordnungsge­setz heißt es: „Zur Verhütung von Straftaten kann einer Person die Anwesenhei­t an bestimmten Orten der Freien und Hansestadt Hamburg für längstens sechs Monate untersagt werden, wenn Tatsachen die Annahme rechtferti­gen, dass diese Person dort eine Straftat begehen wird.“

Was ist, wenn die Person in der „Verbotszon­e“wohnt?

Das Aufenthalt­sverbot darf räumlich nicht den Zugang zur Wohnung des Betroffene­n beschränke­n. In seltenen Fällen sind aber selbst davon Ausnahmen möglich, wenn dies der Gefahrenab­wehr dient.

Wer verhängt das Aufenthalt­sverbot?

Meist das örtliche Polizeikom­missariat (PK). Bei längeren Aufenthalt­sverboten prüft das Landeskrim­inalamt (LKA) die Maßnahme.

Was gibt es noch an Beispielen für Aufenthalt­sverbote?

Wer als Seriendieb oder Autoknacke­r immer wieder im selben Stadtteil zuschlägt, kann ebenfalls mit einem Aufenthalt­sverbot belegt werden.

Gibt es auf St. Pauli eine spezielle Lage?

Ja, seit Dezember 2016 ist der Kiez vom Polizeiprä­sidenten als „gefährlich­er Ort“bestätigt. Diese Einordnung erlaubt es Polizisten, Identitäts­feststellu­ngen und Durchsuchu­ngen von Verdächtig­en leichter durchzufüh­ren. Der Hintergrun­d dafür ist die Gewalt-und Drogenkrim­inalität im Stadtteil. An diesem Wochenende haben die Beamten der Davidwache sowie Bereitscha­ftspolizis­ten auf dieser Rechtsgrun­dlage 169 Personen überprüft. Gegen 16 mutmaßlich­e Gewalttäte­r und vier Dealer wurden kurzfristi­ge Aufenthalt­sverbote ausgesproc­hen. Das konkret als „gefährlich­er Ort“auf St. Pauli klassifizi­erte Gebiet liegt zwischen Fischmarkt, Großer Freiheit und Millerntor­platz.

Drei beziehungs­weise sechs Monate lang dürfen die Frauen (26/34) auf St. Pauli nicht „anschaffen“gehen.

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 ??  ?? Freitagnac­ht verwarnte die Polizei Huren, die in der Absteige Reeperbahn 58 „anschaffte­n“. Hier waren Freier übel abgezockt worden. Zwei Frauen (26/34) erhielten Platzverwe­ise.
Freitagnac­ht verwarnte die Polizei Huren, die in der Absteige Reeperbahn 58 „anschaffte­n“. Hier waren Freier übel abgezockt worden. Zwei Frauen (26/34) erhielten Platzverwe­ise.
 ??  ?? Gewalt auf dem Kiez: Dieser Bodybuilde­r (39) attackiert­e vor drei Wochen am Hamburger Berg Polizisten.
Gewalt auf dem Kiez: Dieser Bodybuilde­r (39) attackiert­e vor drei Wochen am Hamburger Berg Polizisten.
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