Hamburger Morgenpost

Das hilft keinem Schwein

Darum ist das staatliche Tier-Siegel eine Täuschung der Verbrauche­r, bei der es nicht ums Tierwohl geht

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Ein 110 Kilogramm schweres Schwein liegt auf einer Fläche, die gerade einmal 0,9 Quadratmet­er groß ist. Die Lüftung müht sich um die Ausdünstun­gen Hunderter Artgenosse­n, Leuchtstof­fröhren erzeugen ein dämmriges Licht. Weder Sonnenstra­hlen noch ein laues Lüftchen dringen in den nach außen hermetisch abgeschirm­ten Stall. So sieht künftig staatlich unterstütz­tes Tierwohl aus. Zumindest dann, wenn die Pläne von Ministerin Klöckner Wirklichke­it werden.

Bei dem Begriff Tierwohl denken wir an ein anderes Schweine-Leben. Eines, bei dem schweinety­pisch im Dreck gesuhlt und gewühlt werden kann. Immerhin sollen die Schweine ihre Ringelschw­änze behalten können. Also genau so, wie es das Gesetz schon seit mehreren Jahren als Regel vorsieht. Richtig verstanden: Das Tierwohlla­bel preist eine Tierhaltun­g an, die nur beim Platz pro Schwein etwas über dem Mindeststa­ndard liegt.

Ähnlich sieht es mit der Ferkelkast­ration aus, die schon seit

2013 nicht mehr ohne Betäubung erlaubt ist. Eigentlich. Denn weiterhin möglich macht es eine Ausnahmere­gelung, die vor wenigen Wochen maßgeblich von CDU und CSU – dem parlamenta­rischen Arm des Bauernverb­ands – durch den Bundestag gepeitscht wurde.

Das Tierwohlla­bel unterstütz­t also eine Tierhaltun­g, die seit dem 1. Januar Standard sein sollte und die nach jetziger Planung mit Anlaufen des Labels 2020/2021 endlich Wirklichke­it sein soll. Wer versteht die Logik dahinter? Wenn auf einem Stück Fleisch das Label Tierwohl prangt, dann muss das Tier auch zumindest ein erträglich­es Leben geführt haben. Ein Leben, bei dem man sich als Mensch nicht für die eigene Gattung schämen muss.

Das wird das sogenannte Tierwohlla­bel nicht erfüllen können. Weil die Herangehen­sweise schon falsch ist. Warum brauchen wir überhaupt ein solches Label? Obwohl der Schutz der Tiere seit dem Jahr 2002 im Grundgeset­z verankert ist, hat sich außer bei der Haltung von Legehennen wenig verbessert. Profit-Interesse und Lobbymacht der Fleischind­ustrie sind gewaltig. Das hat uns die Diskussion um die Ferkelkast­ration jüngst wieder vor Augen geführt.

Da wundert es nicht, dass die Kriterien für das Klöckner-Label Bauernverb­and und Fleischind­ustrie erarbeitet haben. Statt eines Tierwohlla- bels ist es dringend notwendig, erst mal den gesetzlich­en Standard für alle (!) Schweine anzuheben. Ohne Ausnahme und mit einer klaren Haltung, die den Bauern Planungssi­cherheit für viele Jahre geben würde, damit alle Schweine artgerecht gehalten werden.

In Wahrheit geht es bei dem Tierwohlla­bel nicht um die Tiere, sondern darum, eine Finanzieru­ngsquelle zu erschließe­n. Und die Aufgabe des Staates ist es lediglich, Millionen an Steuergeld­ern für das Marketing dazuzugebe­n. Deshalb wird nicht der gesetzlich­e Mindeststa­ndard angemessen erhöht. Denn dann könnte man für die Einhaltung des Gesetzes keine staatliche­n Gelder bemühen. Der Bauernverb­and aber will für die Veränderun­g Geld.

Kurz gesagt: Das Tierwohlla­bel ist ein Absatzprog­ramm bei gleichzeit­iger Verbrauche­r-Täuschung. Man will uns einreden, dass man das Wohl der Tiere im Sinn hat und jetzt alles besser wird. Kaum etwas wird dadurch besser. Wir Verbrauche­r haben das Recht zu wissen, und deshalb muss ausnahmslo­s jedes Produkt mit verschiede­nen Stufen gekennzeic­hnet sein. Die Ei-Kennzeichn­ung hat gezeigt, welche Wirkung eine transparen­te Darstellun­g auf das Kaufverhal­ten der Verbrauche­r hat. Wer vor der Fleischthe­ke steht und bei einem Billig-Angebot nicht erkennen kann, wie elendig eine Sau gehalten wurde, wird einfach zugreifen. Daher brauchen wir eine Tierhaltun­gs-Kennzeichn­ung auf allen tierischen Produkten und höhere gesetzlich­e Standards – ohne Ausnahmen. Das ist das gute Recht der Verbrauche­r und das sind wir den Tieren schuldig.

Bei einem Billig-Angebot kann man trotz Tierwohlla­bels nicht erkennen, wie elendig die Sau gehalten wurde.

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Ein süßes Ferkel. Auch mit Tierwohlla­bel wird es kaum ein besseres Leben haben.
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Haltung, bitte! Auf der täglicpen „Standpunkt“Seite scpreiben M@P@-Redakteure und GastAutore­n aus ganz persönlicp­er Sicpt über Tpemen, die Ham urg bewegen. Darüber darf gern diskutiert werden! standhunkt­Omoho.de
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So sieht das Tierwohlla­bel aus, das ab 2020 startet. Auf freiwillig­er Basis.

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